Was soll denn das sein? WChUTEMAS, oftmals als ‚russisches Bauhaus’ bezeichnet, war eine legendäre Kunstschule der Moderne in den 1920er Jahren. Im Martin-Gropius-Bau zeigt eine Ausstellung etwa 250 Skizzen, Zeichnungen, Malerei und Modellen von Lehrern und Studierenden. 1920 wurden diese ‚Höheren Künstlerisch-technischen Werkstätten‘ durch ein Dekret der Sowjetregierung gegründet. In acht Fakultäten (Produktionswerkstätten: Holz, Metall, Textil, Druckgrafik, Keramik; Kunstwerkstätten: Malerei, Skulptur, Architektur) wurden mehrere tausend Studenten unterrichtet. Einem Vorkurs mit völlig neuartigem künstlerisch-wissenschaftlichem Curriculum folgte ein mehrjähriges Studium. An dieser Schule unterrichteten berühmte KünstlerInnen und ArchitektInnen, deren Namen mit dem Durchbruch der russischen Avantgarde verbunden sind: wie El Lissitzky, Naum Gabo, Moissej Ginsburg, Gustav Klucis, Wassily Kandinsky, Nikolai Ladowski, Alexander Melnikow, Ljubow Popowa, Alexander Rodtschenko, Alexej Schtschussew, Warwara Stepanowa, Wladimir Tatlin, Alexander Wesnin. Man wollte mit Hilfe von Kunst und Architektur den ‚Neuen Menschen‘ formen und eine revolutionäre Erneuerung des Verhältnisses von Kunst und Gesellschaft verwirklichen. Doch der erbitterte Streit um den ‚richtigen’ Weg spiegelt sich auch in der Geschichte dieser Schule, seiner Lehrer und Studenten wieder. Die Architektur als ’synthetische Kunst‘ hatte dabei eine Schlüsselrolle inne. Diplomarbeiten und experimentelle Studienprojekte zeigen das enorme utopische und baukünstlerische Potenzial und veranschaulichen zugleich, oft zugespitzt, das Credo widerstreitender Architekturströmungen an den WChUTEMAS.
Die Ausstrahlung der WChUTEMAS reichte weit über Sowjetrussland hinaus. Mit dem 1919 gegründeten Bauhaus in Weimar und später in Dessau gab es Beziehungen. Um den wissenschaftlichen Anspruch zu betonen, benannte man 1927 die Schule um in ‚Höheres Künstlerisch-Technisches Institut‘, WChUTEIN. Man wollte weg von der reinen Kunst hin zur industriellen Produktion. Radikal funktionalistische Zielsetzungen in Wohn- und Städtebau traten in den Vordergrund. 1930 wurde die Schule geschlossen. Die Architekturfakultät wurde mit dem Höheren Bauingenieur- und Architekturinstitut, dem späteren Moskauer Architekturinstitut verschmolzen. Die russische Avantgarde verlor ihren Einfluss und wurde zu Gunsten eines ‚Sozialistischen Realismus‘ radikal zurückgedrängt, konstruktivistische Konzepte waren im Rahmen der planwirtschaftlichen Anforderungen in Russland nicht mehr gefragt.
5. Dezember 2014 bis 6. April 2015
im Martin-Gropius-Bau
Öffnungszeiten
Mi bis Mo 10:00–19:00
Di geschlossen
Freitag, 19. Dezember 2014
Dienstag, 25. November 2014
RealSurreal - Fotografie der Zwanziger Jahre im Kunstmuseum Wolfsburg
Von Elke Linda Buchholz. Real – surreal – völlig egal?! Das Wolfsburger Kunstmuseum zeigt Fotografie des Neuen Sehens der 20er und 30er Jahre, die damals Avantgarde war und heute Klassikerstatus hat. Fast alles, was Rang und Namen hat aus der damaligen Fotoszene, ist in der Ausstellung vertreten: Albert Renger-Patzsch, Yva, Herbert List, Aenne Biermann, Herbert Bayer, Grete Stern, Alfred Ehrhardt, Dora Maar, Man Ray, André Kertesz, Karel Teige und viele mehr. Zudem hat der Münchener Sammler Dietmar Siegert allerlei unbekanntere Fotografen aus seinen Mappen und Schränken mitgebracht, und sie zu entdecken macht besonderes Vergnügen. Der ehemalige Filmproduzent, der einst rum die Welt Dokumentarfilme realisierte, begann sich schon früh für die Fotokunst zu begeistern. So konnte er von erschwinglichen Preisen auf dem Markt profitieren, bevor die Schätzwerte in die Höhe schossen. Vor allem die ganz frühen Aufnahmen der Fotopioniere aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatten es ihm angetan, wie Siegert zur Ausstellungseröffnung erzählt. Seine raren Schätze zur deutschen Lichtbildkunst bis 1890 hat er vor kurzem in die Obhut des Münchener Stadtmuseum gegeben. Für die Italienmotive interessierte sich dann auf einmal sogar die Neue Pinakothek. In deren Ausstellungssälen dürfen die historischen Aufnahmen italienischer Hotspots künftig kongenial die gemalten Ansichten aus dem Land, wo die Zitronen blühen, ergänzen.
Dass Siegert eher nebenbei vor einigen Jahrzehnten begann, auch Fotokunst der Zwanziger Jahre zu sammeln, wird erst jetzt öffentlich sichtbar. Nur Einzelstücke hat der Sammler bislang, etwa in der Berliner Sammlung Scharf-Gerstenberg, als Leihgaben gezeigt. Wie umfangreich und facettenreich er den Sammlungsbereich des "Neuen Sehens" arrondierte, zeigt jetzt die Wolfsburger Schau (bis zum 6. April 2015). Und damit stellt sich zugleich die Frage: In welchem Museum wird dieser hochkarätige Bestand wohl einmal seine Bleibe finden? Denn museale Qualitäten hat das Konvolut, von dem jetzt eine Auswahl ans Licht kommt. Weiterlesen
Sonntag, 23. November 2014
Kästners Berlin - Interview auf Inforadio, Textauszug und Bildstrecke auf www.tagesspiegel.de
Der gedruckte TAGESSPIEGEL AM SONNTAG berichtet heute auf einer ganze Seite von den Entdeckungen Michael Bienerts bei der Recherche zu seinem Buch Kästners Berlin. Die Onlineausgabe des TAGESSPIEGEL publiziert ein Kapitel aus dem Buch und eine Bildstrecke zu Kästners Orten in Berlin. Für das rbb-Inforadio hat Marianne Mielke ein langes Interview mit dem Autor geführt, das hier nachgehört werden kann.
Michael Bienert
Kästners Berlin. Literarische Schauplätze
160 Seiten, ca. 200 Abb.
Verlag für Berlin und Brandenburg
Berlin 2014, 24,99€
Michael Bienert
Kästners Berlin. Literarische Schauplätze
160 Seiten, ca. 200 Abb.
Verlag für Berlin und Brandenburg
Berlin 2014, 24,99€
Freitag, 21. November 2014
Kühle Sache. Die Neupräsentation der Sammlung im Kunstgewerbemuseum Berlin
Foto: SMB / Stefan Klonk |
Mittwoch, 12. November 2014
Kästners Berlin - das erste Exemplar ist da
Das erste Exemplar von Kästners Berlin ist da! Große Erleichterung: Der Druck ist perfekt, die Fotos vom Berlin der Zwanziger und Dreißiger Jahre sehen super aus. Morgen um 20 Uhr ist die erste Buchvorstellung in der Büchergilde Buchhandlung am Wittenbergplatz.
Dienstag, 7. Oktober 2014
László Moholy-Nagy - Ausstellung im Bauhaus-Archiv
Als Pionier einer multimedialen und konzeptionellen Kunst war László Moholy-Nagy einer der einflussreichsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Neben seinen Arbeiten aus den 1920er bis 1940er Jahren präsentiert nun das Bauhaus-Archiv Werke von Gegenwartskünstlern wie Olafur Eliasson oder Eduardo Kac präsentiert, die Moholy-Nagys Ideen aufgreifen. Moholy-Nagy setzte sich praktisch und theoretisch mit den Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Medien und Sinnen auseinander und experimentierte intensiv mit Film und Fotografie.
Rund 300 Exponate ─ von Gemälden und Skulpturen über Fotografien, Fotogramme und Grafiken bis hin zu Filmen und Bühnenentwürfen, Licht- und Geräuschinstallationen, Tasttafeln und Handskulpturen sowie Publikationen ─ geben einen multisensorischen Zugang zu Moholy-Nagys Werk. Er lehrte von 1923 bis 1928 am Bauhaus und ab 1937 bis zu seinem Tod 1946 in Chicago, zunächst als Direktor am New Bauhaus und ab 1939 an der School of Design, dem späteren Institute of Design. Die Ausstellung vermittelt Schüsselthemen in Moholy-Nagys Kunst, die eng mit der Lebensreformbewegung und biozentrischen Ansätzen der 1920er Jahre verbunden sind. Moholy-Nagy ging davon aus, dass in einer zunehmend technisierten modernen Welt nur die Integration aller menschlichen Sinne und des Intellekts die organische Entwicklung des Individuums ermögliche. Sowohl in den alten und neuen Medien, der Hoch- und Populärkultur, den Künsten und den Wissenschaften sah er hierfür Potentiale und erweiterte den Blick über die fünf Sinne des Sehens, Hörens, Fühlens, Schmeckens und Riechens hinaus auf den Bewegungs- und Tiefensinn. Neue Technologien sollten der Erweiterung der menschlichen Sinnesorgane dienen, Hierarchien in der Wahrnehmung und den Medien lehnte er ab. Kunst betrachtete Moholy-Nagy als Information und alle Medien als mögliche Mittel zur Umsetzung einer künstlerischen Idee. Zentrale Aspekte seines Werks wie Interdisziplinarität, Multimedialität und multisensorische Wahrnehmung, das Neue Sehen, Immersion und Partizipation, Transparenz, Reflektion und Bewegungen werden unter diesem Fokus näher beleuchtet.
Die Präsentation seiner Entwürfe des „Kinetischen konstruktiven Systems“ (1922-28) verdeutlicht Moholy-Nagys Rolle als Vorreiter einer partizipatorischen und immersiven Kunst. Seine Emaille-Serie (1922-23), auch als Telefonbilder bekannt, macht seine Bedeutung als Pionier einer konzeptionellen Medienkunst deutlich, da er mit diesen Arbeiten in gewisser Weise digitale Kunstformen vorwegnahm. In „Sensing the Future: László Moholy-Nagy, die Medien und die Künste“ werden darüber hinaus mehrere Filme Moholy-Nagys gezeigt sowie Gemälde, Fotogramme und Fotografien, in denen Licht zum Rohmaterial seiner Kunst wird. Arbeiten von Gegenwartskünstlern wie die „Aromapoetry“ (2011) von Eduardo Kac oder Olafur Eliassons „Suntrackers“ (2014) setzen Moholy-Nagys Ansätze fort; andere Künstler realisierten für die Ausstellung als Hommage an den visionären Universalkünstler einige seiner unverwirklichten Konzepte, wie zum Beispiel Lancelot Coar und Patrick Harrop mit ihrem Versuch, Moholy-Nagys Idee eines mehrdimensionalen Polykinos zu verwirklichen. (Quelle: Pressemitteilung Bauhaus-Archiv)
Publikation: Oliver Botar, Sensing the Future: Moholy-Nagy, die Medien und die Künste, Lars Müller Verlag (Zürich), ca. 200 Seiten mit ca. 400 Abbildungen, ISBN 978-3-03778-434-1 (deutsche Ausgabe), ISBN 978-3-03778-433-4 (englische Ausgabe), Preis: 35 Euro.
Infos und Öffnungszeiten
Publikation: Oliver Botar, Sensing the Future: Moholy-Nagy, die Medien und die Künste, Lars Müller Verlag (Zürich), ca. 200 Seiten mit ca. 400 Abbildungen, ISBN 978-3-03778-434-1 (deutsche Ausgabe), ISBN 978-3-03778-433-4 (englische Ausgabe), Preis: 35 Euro.
Infos und Öffnungszeiten
Montag, 6. Oktober 2014
Eine neue Gedenktafel für Paul Hertz
Paul Hertz, sein Enkel Henry Berg und Grundschulkinder in der Paul Hertz-Siedlung. Foto: Tina Merkau/Gewobag |
Henry Berg ist ein amerikanischer Architekt und Enkel des sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Paul Hertz, der von den Nazis ins Exil getrieben wurde, aber schon bald nach dem Zweiten Weltkrieg nach West-Berlin zurückkehrte, um den Wiederaufbau Berlins als Finanzsenator zu unterstützen. In der nach ihm benannten Paul-Hertz-Siedlung in Charlottenburg hat Mr. Berg heute eine neue Gedenktafel für seinen Großvater eingeweiht. Der Sozialdemokrat, Finanz- und Wirtschaftsfachmann Paul Hertz war seit 1920 Reichstagsabgeordneter und stimmte 1933 mit seiner Fraktion gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz.
Freitag, 26. September 2014
Thomas Mann und die Bildende Kunst in Lübeck
Hier gehts zur Kunst: Thomas Mann ganz in Rosa im Buddenbrookhaus Foto: Bienert |
Visuelle Eindrücke konnten einen kreativen Schub auslösen,
so wie 1922 der Besuch einer Ausstellung, in der Thomas Mann den Bildzyklus „Joseph
in Ägyptenland“ von Hermann Ebers – eines Jugendfreundes seiner Frau – sah. Das
war die Initialzündung für das große Erzählprojekt „Joseph und seine Brüder“.
Im Gegenzug erhielt der Künstler Hermann Ebers 1925 den Auftrag, die Novelle „Unordnung
und frühes Leid“ zu illustrieren. Doch seine Lithografien wurden nicht
gedruckt. In ihnen sei „das Element des Harmlosen und Bürgerlichen auf Kosten
und zu ungunsten des Schlimmen und Unbürgerlichen in irreführender, stilistisch
fehlerhafter Weise überbetont“, teilte der Autor dem befreundeten Künstler mit.
Wohl auch auf Druck des Verlags, wo die rein illustrativen und etwas biedermeierlichen
Familienszenen auf wenig Gegenliebe stießen. Sie sind in der Ausstellung zu
sehen. Es war dann Aufgabe des geschmackssicheren Illustrators Karl Walser, die Umschläge für die Novelle
und für die Josephsromane zu zeichnen.
Mittwoch, 17. September 2014
LeMo - Onlineausstellung zur Weimarer Republik in neuem Design
Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat heute die neue Version des Online-Portals zur deutschen Geschichte “Lebendiges Museum Online (LeMO)“ freigeschaltet. Der Weimarer Republik ist darin ein ausführliches Kapitel gewidmet. Neben einer Jahreschronik (mit Biografien) finden sich Unterkapitel zu den Themen Revolution, Politik, Alltag, Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft und Antisemitismus, dort wiederum Vertiefungen zu Einzelaspekten. Das LeMo richtet sich als virtuelles deutsches Geschichtsbuch vor allem an Schüler, leistet aber auch sonst nützliche Dienste bei der Recherche.
Donnerstag, 11. September 2014
Das Ullstein Druckhaus von Eugen Schmohl – eine kunsthistorische Analyse der TU Berlin
In Berlin-Tempelhof am Mariendorfer Damm hebt sich ein monumentaler Bau aus der Stadtsilhouette klar heraus. Es handelt sich um das zwischen 1924–1927 erbaute Druckhaus für den Ullstein Verlag. Entworfen hatte es Eugen Georg Schmohl. In Zusammenarbeit mit dem Ingenieur Otto Zucker konzipierte er ein unverwechselbares Einzelbauwerk, dessen Wirkung als Wahrzeichen noch heute besteht.
Das Werk von Eugen Georg Schmohl (1880–1926) stand bislang in keiner wissenschaftlichen Publikation im Mittelpunkt. Informationen zu seinem Leben oder seine Arbeitsweise lassen sich kaum finden, da das Archivmaterial 1945 durch Brand zerstört wurde. Nun wurde das Bauwerk im Rahmen einer Bachelorarbeit am TU-Institut für Kunstgeschichte und Historische Urbanistik bei Prof. Dr. Kerstin Wittmann-Englert einer kunsthistorischen Analyse unterzogen. „Ziel dieser Analyse war es, dieses Bauwerk in den vorhandenen Stil des Expressionismus einzuordnen“, sagt Ulrike Kohl, Autorin der Bachelorarbeit: „Das Ullstein Druckhaus: ein Repräsentationsbau der 20er Jahre“.
1877 legte Leopold Ullstein den Grundstein für den Ullstein-Verlag. Er kaufte die Druckerei Stahl & Assmann mit der dazugehörigen Zeitung Neues Berliner Tageblatt. Bis 1933 entwickelte sich der Verlag zu einem der größten und bedeutendsten in Europa. Mit dem damit verbundenen wirtschaftlichen Aufschwung stellte sich die Frage nach einem neuen Standort in Berlin. Die Verarbeitung der steigenden Auflagen und der Wunsch nach den neuesten Rotationsmaschinen forderte sehr viel mehr Platz als im Stammhaus im Berliner Zeitungsviertel in Kreuzberg zur Verfügung stand“, so Ulrike Kohl.
Freitag, 5. September 2014
Ein Roman aus dem Zeitungsviertel: Stefan Großmanns "Wir können warten"
Vor gut zehn Jahren erschien im Ullstein-Verlag der "Ullsteinroman" des Schriftstellers und studierten Historikers Sten Nadolny: Er schildert den Aufstieg der jüdischen Verlegerfamilie bis zur Gleichschaltung und Übernahme ihres Konzerns durch die Nationalsozialisten. Der Name Stefan Großmann kommt in diesem dicken Buch ein einziges Mal vor. Der 1875 in Wien geborene Journalist, Romancier und Dramatiker arbeitete seit 1913 für die von Ullstein übernommene Vossische Zeitung, war vorübergehend deren Feuilletonchef und nach dem Ersten Weltkrieg Mitbegründer der linksliberalen Zeitschrift Tage-Buch. Großmann, ein gefürchteter Journalist und Kritiker des Medienbetriebs, hinterließ bei seinem Tod im Jahr 1935 einen unvollendeten Ullsteinroman, dessen Manuskript in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien aufbewahrt wird.
Im Zentrum steht hier der "Bruderkrieg" zwischen den fünf Söhnen des Verlagsgründers Hermann Ullstein in den letzten Jahren der Weimarer Republik. Sie teilten sich die Leitung des Unternehmens. Die Rivalität der Brüder und ihrer Söhne eskalierte, als Franz Ullstein sich in die Journalistin Rosie Gräfenberg verliebte und diese Einfluss auf die Verlagspolitik gewann. Falschmeldungen über ein zweifelhaftes Vorleben der jungen Frau wurden über die Medien lanciert. Für zusätzlichen Zoff sorgten unterschiedliche Meinungen in der Unternehmensleitung, wie der größte deutsche Medienkonzern auf die Wirtschaftskrise und den Rechtsruck in der deutschen Politik ab 1929 reagieren sollte. Schon vor der Machtübernahme der Nazis wurde allzu radikalen Redakteuren gekündigt, passte sich das Unternehmen der politischen Großwetterlage an, in der Hoffnung, Inserenten und Leser zu halten. Das Ideal der jüdischen Verlegerfamilie sei nunmehr ein "Völkischer Bobachter mit Genehmigung des Rabbinats", giftete Carl von Ossietzky im Januar 1932 in der Weltbühne.
Ein praller Stoff für einen Familien-, Gesellschafts- und Wirtschaftskrimi! Großmann hat ihn als Schlüsselroman angelegt, aus den fünf Ullsteinbrüdern wurden die sechs Brüder Kronstein, aus Rosie Gräfenberg die kühle und elegante Evelyn Goldscheider, aus dem cholerischen Chefredakteur Georg Bernhard der Strippenzieher Klotz - etcetera. Nur ist es dem Autor leider nicht mehr vergönnt gewesen, den Weg vom zeitgeschichtlichen Stoff zur stimmigen Fiktion bis zum Ende zu gehen. Auf der Flucht vor den Nazis verarmt und schwer krank starb Großmann 1935 in Wien, ohne sein Manuskript in eine verlagsreife Form bringen zu können. So widersprechen sich etwa Angaben zu den Figuren, ihrem Alter, ihrer Augenfarbe, ihren Namen oder der Vorgeschichte. Manche Dialoge wirken konstruiert und hölzern, sicher wäre zu Lebzeiten des Autors daran unter der Aufsicht eines strengen Lektorats noch gefeilt worden. Der Erzählfluss mäandert und gerät immer mal wieder ins Stocken, man spürt, dass der Autor sich nicht ganz sicher war, wo er mit seiner Geschichte wirklich hinwollte.
In seinem Vorwort weist der Berliner Literaturwissenschaftler Erhard Schütz auf die Schwierigkeiten bei der Herausgabe eines derart zwar bis zum Ende durcherzählten, aber in sich nicht konsistent durchgeformten Romans hin. Herausgeber und Verlag haben einen Mittelweg gewählt, um ihn dennoch einem größeren Lesepublikum schmackhaft zu machen: Die Textvorlage wurde soweit geglättet, dass man das Buch nun bequem wie einen Kolportageroman durchlesen kann. Dabei stößt man aber immer wieder auf Widersprüche und Schwachstellen, die einen daran erinnern, dass dieses Buch in dieser Gestalt wohl kaum so erschienen wäre.
Gegen Ende des Romans schiebt sich immer mehr eine Liebesgeschichte in den Vordergrund: Der konservative Politiker Joachim von Schollwitz, der den Ullsteinkonzern als Staatskommissar an die Kandare nehmen soll, will ausgerechnet eine jüdische Sekretärin aus der Chefetage heiraten, während zur selben Zeit eine nationalsozialistische Betriebszelle das Unternehmen von innen unterwandert. Schließlich zieht sich das deutsch-jüdische Paar aufs Land zurück: "Es wird vielleicht ein paar Jahre dauern, bis uns das andere, das ewige Deutschland zurückrufen wird, dich und mich. Aber wir können warten." Wie gefährdet so ein Paar im Nazideutschland tatsächlich war, wie riskant die Strategie des Abwartens, konnte der Autor 1935 nicht wissen. Achtzig Jahre später versetzt der Roman Wir können warten seine Leser in die Unsicherheit und Ungewissheit zurück, die kurz nach der nationalsozialistischen Machtübernahme in Europa herrschte.
Stefan Großmann
Wir können warten oder Der Roman Ullstein
Herausgegeben und mit einem Vorwort versehen von Erhard Schütz
384 Seiten Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-945256-02-2
22,99 Euro
Mehr zum Thema: Michael Bienert über den Untergang der Vossischen Zeitung, des publizistischen Flaggschiffs des Ullstein-Konzerns. Lesen
Im Zentrum steht hier der "Bruderkrieg" zwischen den fünf Söhnen des Verlagsgründers Hermann Ullstein in den letzten Jahren der Weimarer Republik. Sie teilten sich die Leitung des Unternehmens. Die Rivalität der Brüder und ihrer Söhne eskalierte, als Franz Ullstein sich in die Journalistin Rosie Gräfenberg verliebte und diese Einfluss auf die Verlagspolitik gewann. Falschmeldungen über ein zweifelhaftes Vorleben der jungen Frau wurden über die Medien lanciert. Für zusätzlichen Zoff sorgten unterschiedliche Meinungen in der Unternehmensleitung, wie der größte deutsche Medienkonzern auf die Wirtschaftskrise und den Rechtsruck in der deutschen Politik ab 1929 reagieren sollte. Schon vor der Machtübernahme der Nazis wurde allzu radikalen Redakteuren gekündigt, passte sich das Unternehmen der politischen Großwetterlage an, in der Hoffnung, Inserenten und Leser zu halten. Das Ideal der jüdischen Verlegerfamilie sei nunmehr ein "Völkischer Bobachter mit Genehmigung des Rabbinats", giftete Carl von Ossietzky im Januar 1932 in der Weltbühne.
Ein praller Stoff für einen Familien-, Gesellschafts- und Wirtschaftskrimi! Großmann hat ihn als Schlüsselroman angelegt, aus den fünf Ullsteinbrüdern wurden die sechs Brüder Kronstein, aus Rosie Gräfenberg die kühle und elegante Evelyn Goldscheider, aus dem cholerischen Chefredakteur Georg Bernhard der Strippenzieher Klotz - etcetera. Nur ist es dem Autor leider nicht mehr vergönnt gewesen, den Weg vom zeitgeschichtlichen Stoff zur stimmigen Fiktion bis zum Ende zu gehen. Auf der Flucht vor den Nazis verarmt und schwer krank starb Großmann 1935 in Wien, ohne sein Manuskript in eine verlagsreife Form bringen zu können. So widersprechen sich etwa Angaben zu den Figuren, ihrem Alter, ihrer Augenfarbe, ihren Namen oder der Vorgeschichte. Manche Dialoge wirken konstruiert und hölzern, sicher wäre zu Lebzeiten des Autors daran unter der Aufsicht eines strengen Lektorats noch gefeilt worden. Der Erzählfluss mäandert und gerät immer mal wieder ins Stocken, man spürt, dass der Autor sich nicht ganz sicher war, wo er mit seiner Geschichte wirklich hinwollte.
In seinem Vorwort weist der Berliner Literaturwissenschaftler Erhard Schütz auf die Schwierigkeiten bei der Herausgabe eines derart zwar bis zum Ende durcherzählten, aber in sich nicht konsistent durchgeformten Romans hin. Herausgeber und Verlag haben einen Mittelweg gewählt, um ihn dennoch einem größeren Lesepublikum schmackhaft zu machen: Die Textvorlage wurde soweit geglättet, dass man das Buch nun bequem wie einen Kolportageroman durchlesen kann. Dabei stößt man aber immer wieder auf Widersprüche und Schwachstellen, die einen daran erinnern, dass dieses Buch in dieser Gestalt wohl kaum so erschienen wäre.
Gegen Ende des Romans schiebt sich immer mehr eine Liebesgeschichte in den Vordergrund: Der konservative Politiker Joachim von Schollwitz, der den Ullsteinkonzern als Staatskommissar an die Kandare nehmen soll, will ausgerechnet eine jüdische Sekretärin aus der Chefetage heiraten, während zur selben Zeit eine nationalsozialistische Betriebszelle das Unternehmen von innen unterwandert. Schließlich zieht sich das deutsch-jüdische Paar aufs Land zurück: "Es wird vielleicht ein paar Jahre dauern, bis uns das andere, das ewige Deutschland zurückrufen wird, dich und mich. Aber wir können warten." Wie gefährdet so ein Paar im Nazideutschland tatsächlich war, wie riskant die Strategie des Abwartens, konnte der Autor 1935 nicht wissen. Achtzig Jahre später versetzt der Roman Wir können warten seine Leser in die Unsicherheit und Ungewissheit zurück, die kurz nach der nationalsozialistischen Machtübernahme in Europa herrschte.
Stefan Großmann
Wir können warten oder Der Roman Ullstein
Herausgegeben und mit einem Vorwort versehen von Erhard Schütz
384 Seiten Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-945256-02-2
22,99 Euro
Mehr zum Thema: Michael Bienert über den Untergang der Vossischen Zeitung, des publizistischen Flaggschiffs des Ullstein-Konzerns. Lesen
Donnerstag, 28. August 2014
Kant-Garagen in den VDI-Nachrichten
Quelle: http://media.tumblr.com/tumblr_lojayec7iA1qc9bgx.jpg |
Mittwoch, 13. August 2014
Museumswohnung in Haselhorst ab 13. September 2014 zu besichtigen
Zum Tag des offenen Denkmals wird erstmals die Museumswohnung in der 1930-1935 errichteten Reichsforschungssiedlung Haselhorst zu besichtigen sein, außerdem finden am 13. September Führungen im Haus und der Umgebung mit Michael Bienert statt.
Die Kleinstwohnung wurde sorgfältig im Stil der Bauzeit eingerichtet, mit historischem Badeofen, Kurzbadewanne und Kochmaschine, und vermittelt einen Eindruck von der damaligen Wohnkultur. Hier finden Sie mehr Infos und Öffnungszeiten.
Foto: Sabine Dobre / Gewobag
Die Kleinstwohnung wurde sorgfältig im Stil der Bauzeit eingerichtet, mit historischem Badeofen, Kurzbadewanne und Kochmaschine, und vermittelt einen Eindruck von der damaligen Wohnkultur. Hier finden Sie mehr Infos und Öffnungszeiten.
Foto: Sabine Dobre / Gewobag
Mittwoch, 6. August 2014
Telefonzelle von 1934/35 in Lübars immer noch in Betrieb
Auf dem Dorfanger von Alt-Lübars, nahe der alten Dorfkirche, steht diese historische Telefonzelle aus dem Jahr 1934/35 und ist immer noch in Betrieb. Das erste Modell dieses Typs wurde 1928 auf dem Reichskanzlerplatz in Berlin erprobt (heute Theodor-Heuss-Platz). In der Nazizeit wurde die neusachliche Beschriftung "Fernsprecher" auf Frakturbuchstaben umgestellt.
Montag, 7. Juli 2014
Walter Triers Bilderbuch-Karriere
15 Jahre hat die Kunsthistorikerin Antje Neuner-Warthorst recherchiert, um dem Zeichner Walter Trier Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Das berühmteste Cover der neueren deutschen Literaturgeschichte stammt von ihm und hat enorm zum Erfolg von Emil und die Detektive beigetragen - leider aber auch das übrige Schaffen seines Schöpfers überstrahlt. Als 1929 die Zusammenarbeit mit Erich Kästner begann, war Trier bereits ein Star unter den Pressezeichnern im Berlin der Weimarer Republik. Er arbeitete auch als Werbegrafiker und entwarf Ausstattungen für Kabarette- und Revueaufführungen. 1936 emigrierte Trier nach London, wo er antinazistische Karikaturen zeichnete, und später nach Kanada, wo er 1951 starb.
In ihrem Nachwort berichtet die Autorin, dass mehrere kunsthistorische Institute es abgelehnt hätten, eine Habilitationsschrift über den nicht nur vielseitigen, sondern auch ganz eigenständigen und unverwechselbaren Gebrauchskünstler anzunehmen, da es dem Thema an akademischer Seriosität fehle! Ihr Buch zerstreut dieses dumme Vorurteil. Seriös recherchiert, aber leichthändig geschrieben und angenehm lesbar, ist es ein substantieller Forschungsbeitrag zur Kulturgeschichte der Weimarer Republik und zur Geschichte der Karikatur in Deutschland. Solche Bücher empfehlen wir gern weiter.
Antje Neuner-Warthorst
Walter Trier. Eine Bilderbuch-Karriere
Nicolai Verlag, Berlin 2014
304 Seiten
29,95 Euro
Die Autorin im Hörfunkinterview:
http://www.wdr5.de/sendungen/neugiergenuegt/sendeterminseiten/achtundzwanzigsterjanuar100.html
In ihrem Nachwort berichtet die Autorin, dass mehrere kunsthistorische Institute es abgelehnt hätten, eine Habilitationsschrift über den nicht nur vielseitigen, sondern auch ganz eigenständigen und unverwechselbaren Gebrauchskünstler anzunehmen, da es dem Thema an akademischer Seriosität fehle! Ihr Buch zerstreut dieses dumme Vorurteil. Seriös recherchiert, aber leichthändig geschrieben und angenehm lesbar, ist es ein substantieller Forschungsbeitrag zur Kulturgeschichte der Weimarer Republik und zur Geschichte der Karikatur in Deutschland. Solche Bücher empfehlen wir gern weiter.
Antje Neuner-Warthorst
Walter Trier. Eine Bilderbuch-Karriere
Nicolai Verlag, Berlin 2014
304 Seiten
29,95 Euro
Die Autorin im Hörfunkinterview:
http://www.wdr5.de/sendungen/neugiergenuegt/sendeterminseiten/achtundzwanzigsterjanuar100.html
Donnerstag, 3. Juli 2014
Bauhaus-Archiv neu eingekleidet
Der neue Internetauftritt des Bauhaus-Archivs |
Dienstag, 24. Juni 2014
Neues Weltkulturerbe in Rotterdam: die Van Nelle Fabriek
Foto: Rotterdam Partners |
Foto: Rotterdam Partners |
Weitere Informationen: http://vannellefabriek.com/
Baden wie in den Zwanzigern
Die Bademeister im Strandbad Wannsee sollen künftig neue Uniformen - Matrosenmütze, weiße Hose, Baumwollpulli - im Stil der Zwanziger Jahre tragen, meldet heute der TAGESSPIEGEL. Nach der Sanierung der Gebäude sollen auch Beschriftungen und Möblierung dem Denkmalcharakter der Anlage angepasst werden.
Montag, 16. Juni 2014
Haus des Rundfunks - online
Die Kinderkonzerte des rbb-Kulturradios bieten nicht nur die Gelegenheit, ins Foyer und den Großen Sendesaal des 1931 eröffneten Rundfunkhauses von Hans Polzig hineinzukommen, es werden vorab auch kleinere Säle geöffnet, in denen die Musiker ihre Instrumente präsentieren. Vorbildlich ist die Website über das grandiose Gebäude, die der Sender mit zahlreichen Tondokumenten ins Netz gestellt hat.
Seelenaufschlitzer - Oskar Kokoschka in Wolfsburg
Immer wieder ziehen in Kokoschkas Bildnissen die Hände die Aufmerksamkeit auf sich. Sie verkrampfen sich, spreizen die Finger, formen kryptische Zeichen und stehlen den Gesichtern gerade bei den frühen Arbeiten fast die Schau.
Das will etwas heißen. Denn auch in den Physiognomien ballte der junge Kokoschka angefeuert vom Erlebnis van Goghs eine immense Ausdrucksenergie. Ob das Resultat dem Dargestellten ähnelte, war dem Maler zweitrangig. Nicht jeder Auftraggeber konnte sich damit abfinden. Aber der Schriftsteller Walter Hasenclever meinte, er bemühe sich täglich, seinem Bildnis ähnlicher zu werden. Rund 55 Gemälde und 140 Papierarbeiten versammelt das Kunstmuseum Wolfsburg zu einer Kokoschka-Retrospektive... Weiterlesen auf tagesspiegel.de
Sonntag, 8. Juni 2014
Holtzendorffgaragen - Zerstörung eines Baudenkmals
Quelle: Staatsarchiv Freiburg Sammlung Willy Pragher |
Quelle: Wikimedia |
Donnerstag, 5. Juni 2014
Der Weltkrieg auf dem Nachttisch
Gasmaske aus dem Ersten Weltkrieg Quelle: Europeana 1914-1918 |
Die Gesellschaften der Zwanziger Jahre waren traumatisiert von der Erfahrung des Ersten Weltkrieges. Zum 100. Jahrestag des Kriegsausbruchs ist eine Flut von Neuerscheinungen zum Thema auf den Markt gekommen. Michael Bienert hat einige davon unter die Lupe genommen.
Der Erste Weltkrieg hat viele literarischer Talente ausradiert und reichlich mediokre Autoren hervorgebracht. Einer war mein Urgroßvater. In einem Erinnerungsbuch von Frontkämpfern hat er hinterlassen, wie er sich vor Verdun das Eiserne Kreuz verdiente. Als Zugführer eroberte er eine französische Stellung und schaffte es, sie im Nahkampf mit Senegalesen stundenlang zu halten. Die meisten Kameraden überlebten das Gemetzel nicht, dennoch schließt Opas Bericht mit den Worten: „Die Stimmung war trotz allem dem Erlebten die Beste geblieben.“
Der Erste Weltkrieg hat viele literarischer Talente ausradiert und reichlich mediokre Autoren hervorgebracht. Einer war mein Urgroßvater. In einem Erinnerungsbuch von Frontkämpfern hat er hinterlassen, wie er sich vor Verdun das Eiserne Kreuz verdiente. Als Zugführer eroberte er eine französische Stellung und schaffte es, sie im Nahkampf mit Senegalesen stundenlang zu halten. Die meisten Kameraden überlebten das Gemetzel nicht, dennoch schließt Opas Bericht mit den Worten: „Die Stimmung war trotz allem dem Erlebten die Beste geblieben.“
Das Frontkämpferbuch erschien 1936, es sollte die Jugend auf
kommende Heldentaten einstimmen und trägt eine handschriftliche Widmung an den
Sohn, also meinen Großvater, der im Zweiten Weltkrieg gen Frankreich zog. Dieses
Familienerbstück, eine meiner Kindheitslektüren während langer Nachmittage
unter Omas Obhut, ist ein Fremdling zwischen meinen Büchern. Deshalb vermüffelte
das Buch jahrelang neben alten Schallplatten im Keller, genau wie das 1930 in
Stuttgart erschienene, mehrere Kilo schwere Bayernbuch
vom Weltkriege. Aber so ein illustriertes Prachtwerk kann man doch nicht einfach
auf den Kehrichthaufen der Geschichte werfen!
Nun haben es die alten Weltkriegsbücher wieder auf meinen
Schreibtisch geschafft, denn die 100. Wiederkehr des Kriegsbeginns rollt
unerbittlich wie ein Panzer auf uns Kulturjournalisten zu. Pünktlich zum
Jahresbeginn begannen alle Medien aus vollen Rohren zu feuern. Und die
Strategen in den Buchverlagen haben pünktlich schwerste Geschütze aufgefahren: Neue
Bücher zum Thema Weltkrieg signalisieren Bedeutsamkeit meist durch stattliche
Seitenzahlen plus Papiergewicht.
Wassily Kandinsky im Bauhaus-Archiv
Die Lehre von Wassily Kandinsky (1866-1944) am Bauhaus steht im Zentrum einer Ausstellung, die vom 25. Juni bis 8. September 2014 im Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung zu sehen ist. Erstmals werden Unterrichtsmanuskripte und -materialien des berühmten Bauhaus-Lehrers aus den Archiven des Centre Pompidou (Paris) und dem Getty Research Institute (Los Angeles) gemeinsam gezeigt und zusammen mit einer Auswahl an Praxisübungen und Mitschriften seiner Bauhaus-Schüler aus den Beständen des Bauhaus-Archivs Berlin und der Stiftung Bauhaus Dessau präsentiert. „Wassily Kandinsky – Lehrer am Bauhaus“ stellt so Kandinskys Unterricht in der Werkstatt für Wandmalerei, der Grund- und Hauptlehre sowie der Freien Malklasse des Bauhauses anschaulich dar. Wassily Kandinsky ist ein Pionier der abstrakten Malerei. In seiner beinahe elf Jahre andauernden Tätigkeit am Bauhaus entwickelte er seine kunsttheoretischen Ideen weiter und lehrte sie im Unterricht. Kandinskys Schriften sind neben elf seiner Zeichnungen und Aquarelle aus der Zeit am Bauhaus in der Ausstellung ebenso zu sehen wie jeweils ein Werk seiner Bauhaus-Kollegen László Moholy-Nagy, Georg Muche, Lyonel Feininger und Paul Klee.
Die Ausstellung „Wassily Kandinsky – Lehrer am Bauhaus“ basiert auf einem Forschungsprojekt der Société Kandinsky und wird von der Kunsthistorikerin Dr. Angelika Weißbach kuratiert. Begleitend erscheint ein 195-seitiger Katalog mit rund 200 Abbildungen, der von Prof. Dr. Magdalena Droste für das Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung herausgegeben wird (Quelle: Bauhaus-Archiv/Pressemitteilung).
Montag, 26. Mai 2014
Erich Kästners Berlin - demnächst als Buch
Warum erscheint so wenig Neues und Aktuelles im Blog? Weil der Webmaster heimlich, still und fleissig am nächsten Buch arbeitet. Jetzt aber ist die Vorschau im Druck und das Geheimnis kann gelüftet werden: "Kästners Berlin" wird im Herbst 2014 im Verlag für Berlin-Brandenburg erscheinen. Der Text-Bild-Band wird vor allem die literarischen Schauplätze der Erich-Kästner-Romane anschaulich vorstellen, aber auch andere Orte, die für den Autor wichtig gewesen sind. Wer weiß schon, dass er 1930 nicht nur den Text für die erste Theateradaption von "Emil und die Detektive" am heutigen Berliner Ensemble geliefert hat, sondern auch bei den Proben dabei war und darüber einen Zeitungsartikel geschrieben hat? Und wo hat er bei Besuchen in der zerstörten Stadt nach 1945 gewohnt? In den vergangenen Tagen hat Michael Bienert im Deutschen Literaturarchiv im riesigen Erich-Kästner-Nachlass des Deutschen Literaturarchivs in Marbach nach bisher kaum beachteten Dokumenten gesucht. Von den 3500 Fotos aus Kästners Nachlass sind gerade mal 200 katalogisiert, nicht mal ein Zehntel der Briefe ist publiziert und eine umfangreiche Dokumentensammlung mit Zeitungsartikeln, Programmheften etc. noch weitgehend ungeordnet. Das Foto zeigt den Spurensucher in den Katakomben des Deutschen Literaturarchivs vor den berühmten grünen Archivkästen, in denen die Nachlässe der Dichter staubsicher verwahrt werden.
Michael Bienert
Kästners Berlin
Literarische Schauplätze
ca. 200 Seiten, ca. 150 Abbildungen
Verlag für Berlin-Brandenburg
ca. 24,99 €
Erscheinungstermin: Oktober 2014
Zur Verlagsvorschau mit der Ankündigung des Buches
Michael Bienert
Kästners Berlin
Literarische Schauplätze
ca. 200 Seiten, ca. 150 Abbildungen
Verlag für Berlin-Brandenburg
ca. 24,99 €
Erscheinungstermin: Oktober 2014
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Freitag, 2. Mai 2014
Berliner Kabarett auf Italienisch
Das Eldorado in der Motzstraße Foto: Bundesarchiv / www.kabarett.it |
Attilio Reinhardt ist ein italienischer Kabarettist und offenkundig auch ein Liebhaber und profunder Kenner der Berliner Kleinkunstszene zwischen den Weltkriegen. Er hat ein tolle Website über die Kabaretts der Zwanziger Jahre ins Netz gestellt, auf die wir durch Zufall bei der Bildrecherche gestoßen sind. Orte und Akteure werden so liebevoll, ausführlich und professionell porträtiert, dass man im ersten Moment denkt, man habe den digitalen Katalog einer großen Kulturinstitution anlässlich einer Ausstellung zu Thema gefunden. Einziger Nachteil: Die Website ist komplett in Italienisch verfasst.
Mittwoch, 23. April 2014
Umkämpfte Idylle - Führungen durch die Hufeisensiedlung
Henning Holsten führt durch Alltag und Politik in der Hufeisensiedlung - von der sozialdemokratischen Modellsiedlung zur nationalsozialistischen Kleinbürgeridylle und zurück. Die Hufeisensiedlung Britz hat in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens mehrere politische Systembrüche erlebt. Die Teilnehmer blicken hinter die eindrucksvollen Fassaden des Weltkulturerbes und lernen Anarchisten und Spießer, Widerstandskämpfer und Massenmörder von ihrer privaten Seite kennen.
Nächste Termine:
Sonntag, 27. April 2014, 14 Uhr Sonntag, 22. Juni 2014, 14 Uhr
Treffpunkt: U-Bahnhof Parchimer Allee, Nordausgang
Dauer: 2 Stunden Teilnahme 5,- Euro / ermäßigt 3,50 Euro
Anmeldung unter 030 627 277 716
Eine Veranstaltung des Museums Neukölln
Nächste Termine:
Sonntag, 27. April 2014, 14 Uhr Sonntag, 22. Juni 2014, 14 Uhr
Treffpunkt: U-Bahnhof Parchimer Allee, Nordausgang
Dauer: 2 Stunden Teilnahme 5,- Euro / ermäßigt 3,50 Euro
Anmeldung unter 030 627 277 716
Eine Veranstaltung des Museums Neukölln
Mittwoch, 9. April 2014
Erinnerung an Carl Legien kehrt zurück
Erich-Weinert-Straße, Ecke Gubitzstraße Foto: Michael Bienert, April 2014 |
Als wir in der vergangenen Woche an der Straßenecke fotografierten, war uns die Veränderungen gar nicht aufgefallen, so vertraut ist uns das historischeErscheinungsbild aus unserem Buch Die Zwanziger Jahre in Berlin (Abbildung unten).
Postkarte aus der Zentral- und Landesbibliothek Berlin, um 1930, abgebildet in Bienert/Buchholz, Die Zwanziger Jahre in Berlin |
Sonntag, 30. März 2014
Die letzten Tage der Tante Voss
Am 31. März 1934 erschien die letzte Ausgabe der Vossischen Zeitung. Bis zuletzt sperrten sich die Verlegerfamilie Ullstein und die Redaktion gegen die Gleichschaltung der Zeitung durch die Nationalsozialisten. Auf einer ganzen Seite erzählt Michael Bienert in der heutigen Sonntagsbeilage der TAGESSPIEGELS, wie es mit der ältesten Zeitung Berlins, einem der großen liberalen Blätter der Weimarer Republik, zu Ende ging.
Hier können Sie den Artikel von Michael Bienert online lesen.
Hier können Sie den Artikel von Michael Bienert online lesen.
Montag, 10. Februar 2014
Reichsforschungssiedlung online
Wohnblock von Fred Forbát an der Gartenfelder Straße |
Kracauers Freunde
Am 8. Februar jährte sich der 125. Geburtstag des Schriftstellers, Essayisten und Filmtheoretikers Siegfried Kracauer - kein Thema für die Berlinale, aber für die Bürgerinitiative, die sich erfolgreich für die Umbennung des Charlottenburger Holtzendorffplatzes in Kracauerplatz eingesetzt hat. An dem Wohnhaus Sybelstraße 35, von dem Kracauer 1933 ins Pariser Exil fliehen musste, hängt inzwischen eine Gedenktafel, dort versammelten sich Johannes Riedner, Georg Steinmeyer (Kracauer-Forscher), Rolf Sanden und Joachim Neu von der Initiative Ehrung Siegfried Kracauer). Eine Rose, zwei Lichter und ein aktueller Presseartikel waren der Erinnerung an den bedeutenden Zeitkritiker der Weimarer Republik gewidmet.
Der WDR strahlte ein Zeitzeichen zum Geburtstag aus, hier ist es nachzuhören.
Der WDR strahlte ein Zeitzeichen zum Geburtstag aus, hier ist es nachzuhören.
Mittwoch, 22. Januar 2014
Licht und Schatten - Das Kino der Weimarer Republik in einer Ausstellung und im Buch
Blick in die Ausstellung Foto: Bienert |
Das sind nicht einfach Bilder aus Kinofilmen der Weimarer Republik, es sind eigene fotografische Kompositionen, die das Wesen und die Atmosphäre eines Films vermitteln sollten, bestimmt für die Schaukästen der Kinos, für Programmhefte und Illustrierte. Die Deutsche Kinemathek zeigt unter dem Titel Licht und Schatten eine Ausstellung mit Originalfotografien aus ihrer Sammlung, ergänzt um prächtige gemalte Filmplakate und einige Filmausschnitte. Berühmte Filme wie Das Cabinet des Dr. Caligari, Metropolis und Berlin Alexanderplatz treffen auf weniger bekannte wie Genuine von Robert Wiene oder Dona Juana von Paul Czinner, das ergibt einen sehr schönen und halbwegs repräsentativen Überblick über das deutsche Filmschaffen zwischen 1918 und 1933. Alles in Schwarzweiß und doch unglaublich vielfältig in den ästhetischen Mitteln.
Der Besuch im Museum für Film und Fernsehen lohnt auch deshalb, weil man dort den Prachtband zur Ausstellung erheblich verbilligt gegenüber dem Buchhandelspreis erwerben kann. Hans Helmut Prinzler, bis 2006 Direktor des Museums, hat ihn herausgegeben und mit einem konzisen Überblick über das Kino der Weimarer Republik eingeleitet. Es folgen 335 Filmstills aus 72 Filmen, eine optisch überwältigende, perfekt in Buchform inszenierte Bildgeschichte des deutschen Kinos in seiner Blütezeit.
Hans Helmut Prinzler
Licht und Schatten. Die großen Stumm- und Tonfilme der Weimarer Republik.
335 Filmbilder von „Mutter Krause“ bis „Dr. Mabuse“
Schirmer/Mosel, Deutsche Kinemathek,
308 Seiten, 443 Abbildungen, 29,95 € (in der Ausstellung, sonst 68 €)
ISBN 978-3-8296-0588-5
Die Ausstellung wird bis 27. April 2014 im Museum für Film und Fernsehen gezeigt.
Dienstag, 21. Januar 2014
Neues Bauen in Magnitogorsk - Buchvorstellung am 10. Februar im Bauhaus-Archiv
Die Mitwirkung von ausländischen Spezialisten bei der Industrialisierung Sowjet-Russlands Anfang der 1930er Jahre ist noch immer ein weithin unerforschtes Terrain. Evgenija Konyševa (Čeljabinsk) und Mark Meerovič (Irkutsk) haben sich auf die Spuren des deutschen Architekten und Stadtplaners Ernst May (1886–1970) begeben, der in den Jahren 1930 bis 1933 für die Planung und den Bau neuer Wohnstädte verantwortlich war. In ihrem Buch zeichnen sie die Planungsgeschichte von Magnitogorsk (Ural) unter der Leitung des Frankfurter Baumeisters Ernst May nach und untersuchen den Stellenwert des Wohnungsbaus und das Konzept der sozialistischen Stadt (Socgorod) im Zuge der Industrialisierung. Mit der Abkehr der stalinistischen Baupolitik vom Neuen Bauen 1932 scheiterten nicht nur die Pläne von Ernst May für Magnitogorsk – nur ein erster Bauabschnitt wurde realisiert. May verließ das Land und wurde dort für Jahrzehnte zur Unperson. Das Buch beleuchtet ein bislang verborgenes Kapitel russisch-deutscher Geschichte (Verlagsankündigung).
Buchpremiere im Bauhaus-Archiv/Museum für Gestaltung am 10. Februar 2014 um 19 Uhr.
Evgenija Konyševa, Mark Meerovič: „Linkes Ufer, rechtes Ufer“. Ernst May und die Planungsgeschichte von Magnitogorsk (1930 –1933). Herausgegeben, eingeleitet und ergänzt um bislang unveröffentlichte Texte aus dem Nachlass Ernst Mays von Thomas Flierl. Theater der Zeit, Edition Gegenstand und Raum 4, ISBN 978-3-943881-14-1, 22 Euro
Buchpremiere im Bauhaus-Archiv/Museum für Gestaltung am 10. Februar 2014 um 19 Uhr.
Evgenija Konyševa, Mark Meerovič: „Linkes Ufer, rechtes Ufer“. Ernst May und die Planungsgeschichte von Magnitogorsk (1930 –1933). Herausgegeben, eingeleitet und ergänzt um bislang unveröffentlichte Texte aus dem Nachlass Ernst Mays von Thomas Flierl. Theater der Zeit, Edition Gegenstand und Raum 4, ISBN 978-3-943881-14-1, 22 Euro
Freitag, 10. Januar 2014
Adolf Heilborns Reise nach Berlin
Verarmt, grau, unruhig und lebenshungrig: So haben Zeitgenossen wie Brecht oder Joseph Roth das Nachkriegsberlin der frühen Zwanziger Jahre vielfach beschrieben. "Die Straße ist als Bild viel ärmer geworden. Zwischen den stehengebliebenen Dekorationen der reichen Zeiten bewegt sich ein im ganzen mißfarbenes Gewimmel ohne alle Üppigkeit an Gliedern, Wangen und Bekleidung", notierte Heinrich Mann 1921 in einem großen Essay über das republikanische Berlin. Im selben Jahre bricht der Arzt und Schriftsteller Adolf Heilborn zu seiner Reise nach Berlin auf. Die feuilletonistischen Berlin-Streifzüge erscheinen ab 1921 in der Berliner Morgenpost, dann 1925 als Buch. Heilborns Reise nach Berlin führt nicht in die Fremde. Der Autor wurde 1873 in Berlin geboren, in einer noch recht überschaubaren Stadt, die sich bis zur Jahrhundertwende in eine Millionenmetropole verwandelte, mit einem Tempo, das wir uns heute gar nicht mehr vorstellen können. Den Potsdamer Platz hat er noch erlebt als "einen unregelmässigen, hässlichen leeren Raum, gleichsam ein gähnendes Loch in der Straßenkreuzung, umrahmt von ebenso erbärmlichen Häusern", hinter dem von Berlin aus gesehen die "Jejend" begann: mit Blumengärten, Ausflugslokalen, Künstlervillen und dem alten Botanischen Garten auf dem Gelände des heutigen Kleistparks. Der 1838 verstorbene Dichter und Naturforscher Adelbert von Chamisso ist dem Autor vierzig Jahre später noch ganz gegenwärtig: "Ein vollkommenes Idyll, naiv bei aller Wissenschaft, ein wahrer Garten ... voller Blumenduft und Vogelsang, und Chamisso saß hier in seiner Laube und bestimmte sein ´Heu´und sang sein rührend schönes Frauenliebe und - leben. Was hat mich als Jüngling der Anblick dieser ´Chamissolaube´ nicht jedesmal ergriffen: Du lieber Gott, ich war verliebt, schrieb selber Verse und wollte zu alle dem Unglück auch dereinstens wie Chamisso Weltumsegler werden." In den frühen Zwanzigern ist ringsum Großstadt gewachsen, den Vorstadtcharakter kann man in unbebauten Lücken oder zwischen den Bauernhäusern des alten Dorfkerns von Schöneberg noch spüren. Der Potsdamer Platz aber mit seinem Verkehrsgewühl und der üppigen nächtlichen Illumination ist nun "das Herz des Groß-Berlin von heute und zu jeder Tageszeit ein unvergesslicher Eindruck."
Heilborn behandelt das moderne Berlin als eine Tatsache, die er weder kritisch durchleuchtet noch enthusiastisch feiert. Die oftmals polarisierende Kulturkritik des frühen 20. Jahrhunderts lässt er hinter sich. Statt dessen richtet er einen zärtlichen und zugleich immens geschichtskundigen Blick auf das älteste Berlin, das mitten in der Metropole ausharrt - heute ist davon nicht mehr viel übrig oder es ist Rekonstruktion wie das Nikolaiviertel und demnächst das Schloss. Im eleganten Plauderton verflicht Heilborn seine Spaziergangsschilderungen mit Kindheitserinnerungen, Anekdoten und historischen Informationen. Die Reise nach Berlin erinnert schon sehr an Franz Hessels wenige Jahre später erschienenes Buch Spazieren in Berlin, das allerdings viel umfangreicher ist und ein größeres Spektrum an Orten und Themen abdeckt. Beide Bücher korrigieren den Mythos vom Berlin der Zwanziger Jahre als permanent aufgekratzter Metropole. Sympathisch ist die Unaufgeregtheit, mit der Heilborn seine Vaterstadt in den Blick nimmt. Seine Nostalgie ist nicht unangenehm, weil sie sich frei hält von jeder Heroisierung der Vergangenheit oder Miesmacherei der Gegenwart. Die trüben Zeitumstände deutet Heilborn nur zart an, beim letzten Spaziergang über die Friedhöfe Berlins - zu Fontane, zu E. T. A. Hoffmann, zu Chamisso und den Grimms, die uns heute noch viel bedeuten, ganz zuletzt aber steht der Spaziergänger vor einer Tafel, die an fünf Weltkriegstote aus einer Familie erinnert: "Auch das ist Berliner Geschichte und deutsche Geschichte."
Adolf Heilborn
Die Reise nach Berlin
136 Seiten Hardcover mit Schutzumschlag
Format: 12,5 x 20,5 cm
ISBN: 978-3-942476-87-4
Verlag für Berlin und Brandenburg 2014
Preis: € 14,95
Zur Verlagswebsite
Heilborn behandelt das moderne Berlin als eine Tatsache, die er weder kritisch durchleuchtet noch enthusiastisch feiert. Die oftmals polarisierende Kulturkritik des frühen 20. Jahrhunderts lässt er hinter sich. Statt dessen richtet er einen zärtlichen und zugleich immens geschichtskundigen Blick auf das älteste Berlin, das mitten in der Metropole ausharrt - heute ist davon nicht mehr viel übrig oder es ist Rekonstruktion wie das Nikolaiviertel und demnächst das Schloss. Im eleganten Plauderton verflicht Heilborn seine Spaziergangsschilderungen mit Kindheitserinnerungen, Anekdoten und historischen Informationen. Die Reise nach Berlin erinnert schon sehr an Franz Hessels wenige Jahre später erschienenes Buch Spazieren in Berlin, das allerdings viel umfangreicher ist und ein größeres Spektrum an Orten und Themen abdeckt. Beide Bücher korrigieren den Mythos vom Berlin der Zwanziger Jahre als permanent aufgekratzter Metropole. Sympathisch ist die Unaufgeregtheit, mit der Heilborn seine Vaterstadt in den Blick nimmt. Seine Nostalgie ist nicht unangenehm, weil sie sich frei hält von jeder Heroisierung der Vergangenheit oder Miesmacherei der Gegenwart. Die trüben Zeitumstände deutet Heilborn nur zart an, beim letzten Spaziergang über die Friedhöfe Berlins - zu Fontane, zu E. T. A. Hoffmann, zu Chamisso und den Grimms, die uns heute noch viel bedeuten, ganz zuletzt aber steht der Spaziergänger vor einer Tafel, die an fünf Weltkriegstote aus einer Familie erinnert: "Auch das ist Berliner Geschichte und deutsche Geschichte."
Adolf Heilborn
Die Reise nach Berlin
136 Seiten Hardcover mit Schutzumschlag
Format: 12,5 x 20,5 cm
ISBN: 978-3-942476-87-4
Verlag für Berlin und Brandenburg 2014
Preis: € 14,95
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Donnerstag, 9. Januar 2014
Treffen der Initiative gegen den Abriss der Kant-Garagen am 24. Januar 2014
Foto: Bundesarchiv |
Über den aktuellen Stand der Dinge berichtet heute Michael Zajonz im Feuilleton des TAGESSPIEGEL. Lesen
Gartenarchitektur 1913-1932 - Onlineausstellung des Bundes deutscher Landschaftarchitekten
Der Bund deutscher Landschaftsarchitekten feiert sein Gründungsjubiläum mit einer exzellenten Online-Ausstellung über 100 Jahre Landschaftarchitektur in Deutschland. Im Abschnitt über die Jahre 1913-1932 werden mehrere Berliner Projekte vorgestellt wie der Brixplatz, der Luisendtädtische Kanal, der Volkspark Jungfernheide und der Sommergarten am Berliner Funkturm. Zur Ausstellung
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