Montag, 30. Januar 2017

Das Döblin-Handbuch

Wer sich näher mit Alfred Döblin befasst, verliert leicht den Überblick. Oder kommt ins Aufzählen, weil dieser Autor - jenseits des kanonisierten Großstadtromans "Berlin Alexanderplatz" - ein nicht nur vom Umfang einschüchterndes, sondern äußert vielfältiges Werk hinterlassen hat, in dem Döblin sich immer wieder neu den großen Zeitfragen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stellte. Entsprechend hoch ist die Mauer von Sekundärliteratur, die sich mittlerweile um das Werk türmt: Eine vom Deutschen Literaturarchiv erstellte neue Personalbibliografie umfasst 5000 Fundstellen zu Autor und Werk, davon alleine 500 zum Roman "Alexanderplatz".
Um sich in dieser Überfülle zu orientieren, kommt das von Sabina Becker herausgegebene, im Metzler Verlag erschienene "Döblin-Handbuch" gerade recht. Versierte Döblinologen haben sich die Herkulesarbeit aufgeteilt und übersichtlich den Stand der Döblin-Forschung zusammengefasst: Der Schwerpunkt liegt dabei weniger auf der Vielfalt der Interpretationen als auf gesicherten Erkenntnissen zur Entstehungsgeschichte einzelner Werke, zu Döblins eigenen Fragestellungen und Herangehensweisen, zur Bedeutung der Themen und Arbeiten innerhalb des Gesamtwerks. Damit bekommen Leser oder Wissenschaftler rasch festen Boden unter den Füßen, wenn sie sich eingehender mit einem der großen Romane, mit der Bedeutung der furiosen Kurz- und Zeitungsprosa, Döblins Poetik, der Haltung des praktizierenden Nervenarztes zu Psychiatrie und Psychoanalyse oder seinem Exilwerk - um nur ein paar Beispiele zu nennen - befassen wollen. Mit anderen Worten: Dieses spröde und massive, aber im Großen und Ganzen doch sehr um Lesbarkeit bemühte 800-Spalten-Nachschlagewerk ersetzt tatsächlich eine ganze Döblin-Sekundärbibliothek. Es macht damit den Blick frei auf die Werke eines Autors, der sich ein gutes halbes Jahrhundert lang immer wieder neu positioniert hat, sowohl weltanschaulich als auch poetisch, der sich nie mit einem einmal erreichten Bewußtseinsstand oder Schreibstil zufrieden gegeben hat - und dadurch immer ein aktueller und inspirierender Autor bleiben wird.


Sabina Becker (Hg.)
Döblin-Handbuch. Leben - Werk - Wirkung
J. B. Metzler Verlag, 2016
400 Seiten, 99,95 Euro
ISBN 978-3-476-05376-3
Verlagsinfos

Dienstag, 10. Januar 2017

Der Bildhauer Georg Kolbe im Netzwerk der Berliner Moderne

Die Jubiläumsausstellung im Kolbe-Jahr 2017 zeigt den Bildhauer Georg Kolbe als modernen Netzwerker in der Berliner Kulturszene des frühen 20. Jahrhunderts. Laufzeit: 22. Januar bis 01. Mai 2017. Infos auf http://www.georg-kolbe-museum.de

Als wichtiger Porträtist, insbesondere in der Weimarer Republik, schuf Kolbe annähernd 200 Köpfe. Die verewigten Gesichter prominenter Persönlichkeiten vermitteln das Bild einer Epoche, die von Glanz und Widerspruch geprägt war. Die rund 50 Porträtskulpturen in der Ausstellung zeigen unter anderem den sozialdemokratischen Reichspräsidenten Friedrich Ebert, Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg, den berühmten Chirurgen Ferdinand Sauerbruch von der Charité, den einflussreichen Kunstchronisten Harry Graf Kessler, Kolbes charismatischen Kunsthändler Paul Cassirer oder die Schriftstellerin und Pazifistin Annette Kolb. Ob als Mitglied der Berliner Secession oder später als Vorsitzender der Freien Secession, Kolbe suchte immer den Austausch mit seinen Kolleginnen und Kollegen. Die später berühmte Tierbildhauerin Renée Sintenis stand ihm als junge Frau Modell, zeitweise arbeitete er im selben Atelierhaus wie Max Beckmann.