Donnerstag, 30. März 2017

Albert Vennemann

Im Lichthof des Kunstgewerbemuseums - heute Martin-Gropius-Bau - fand 1932 die größte Einzelausstellung eines Fotografen statt, die jemals in Berlin gezeigt wurde. Wer wars? Der Name Albert Vennemann ist gründlich vergessen. Seine Ausstellung trug den Titel 1000 Ansichten von Berlin. "Aufgenommen sind fast lauter Objekte, die man vom Alltag kennt. Altberliner Häuser, Schlösser und Paläste, Straßen und noch einmal Straßen, spielende Kinder, Restaurants, Werktätige der verschiedensten Berufe, Passanten, Weekend-Ausflügler, Parkanlagen und schöne Punkte der Umgebung, Bahnhöfe, Industriewerke und moderne Geschäftsbauten - das Inventar könnte schwerlich vollständiger sein", berichtete Siegfried Kracauer in der Frankfurter Zeitung. Und weiter: Die vielen Bilder der Ausstellung "beschwören Eindrücke herauf, die wir gehabt haben, ohne uns Rechenschaft abzulegen. (...) Indem sie uns aber zu einer erstaunlichen Fülle von Wiederbegegnungen verhilft, erteilt sie uns endlich die Verfügungsgewalt über die Sachen und Figuren, mit denen wir unbewusst leben."
Für die heutigen Betrachter ist es ein versunkenes Berlin der Zwischenkriegszeit, das in Vennemanns Fotografien in ungewöhnlicher Vollständigkeit aufbewahrt ist. Unbewusst beeinflussen sie unser Bild vom damaligen Berlin bis heute: Denn Vennemann war nicht nur ein unerhört fleissiger Gebrauchsfotograf, er lieferte auch das visuelle Material für das damals neue Stadtmarketing, etwa für die ab 1925 erscheinende Berlin-Werbezeitschrift Der Wochenspiegel und die Kampagne Jeder einmal in Berlin (ab 1928) - oder auch die vom progressiven Stadtbaurat Martin Wagner mit herausgegebene Zeitschrift Das neue Berlin. Vennemanns Produktion deckte das ganze Spektrum fotografischer Berlin-Inszenierungen ab, er machte Bildreportagen vom Alltag auf den Straßen, fing die Idyllik des Tiergartens und die neuen Reize der nächtlichen Lichtreklame ein, komponierte aber auch Fotomontagen aus Aufnahmen zeitgenössischer Architektur. Berlin hat ihn total vergessen, allein der Frankfurter Kultur- und Fotohistoriker Eckhardt Köhn hat eine über 100-seitige, aufwendig recherchierte Publikation herausgebracht, die man leider in keiner einzigen Berliner Buchhandlung finden wird; sie ist für 18 Euro nur direkt bei der Edition Luchs zu bestellen (per mail: Edition.Luchs@gmx.de, oder postalisch: Edition Luchs, An der Teichmühle 15, 36369 Laufental).
Eckhardt Köhn: 1000 x Berlin. "Schöpfer des Gesichts einer Weltstadt"- Der Fotograf Albert Vennemann. (Fotofälle 2/2015), 114 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, ISBN 978-3-00-051152-3, Edition Luchs, 18 Euro

Soziale Moderne: Otto Bartning in der Akademie der Künste am Hanseatenweg

Wohnblock von Otto Bartning in Haselhorst
Foto: Bienert
Als Kirchenbaumeister gehört Otto Bartning zu den bekannten deutschen Architekten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die Person und ihr Gesamtwerk sind dahinter verblasst - zu Unrecht, wie nun eine große Retrospektive in der Akademie der Künste zeigt. Zu Lebzeiten unter Kollegen hoch geschätzt, nannte ihn Oskar Schlemmer einmal den "eigentlichen Vater des Bauhaus-Gedankens" - doch war Walter Gropius der viel geschicktere Propagandist der gemeinsam entwickelten Ideen für eine neue Kunstausbildung, während Bartning sich nie in den Vordergrund spielte. Zentral für ihn war der Gedanke einer Gemeinschaft, für die Architekten angemessene Räume schaffen sollten, seien es Kirchen, Krankenhäuser, Wohngebäude oder ein Wohnquartier wie das Berliner Hansaviertel. Ohne selbst dort zu bauen, war Bartning der Initiator, Organisator und Regisseur der Bauausstellung im Tiergarten vor 60 Jahren. Die weiten Ausstellungshallen der Akademie der Künste am Hanseatenweg sind daher der ideale Ort für eine Würdigung.
Stahlkirche in Köln, 1928
Ausgangspunkt war die langjährige wissenschaftliche Aufarbeitung des privaten Nachlasses von Otto Bartning in der TU Darmstadt. Moderne Baugesinnung beflügelte den jungen Architekten schon in der Kaiserzeit, er schloss sich dem Deutschen Werkbund an, nach der Novemberrevolution dem Arbeitsrat für Kunst, engagierte sich in der 1926 gegründeten Reichsforschungsgesellschaft für Wirtschaftlichkeit im Bau- und Wohnungswesen und in der Architektenvereinigung Der Ring: Bartning war immer zur Stelle, wenn es darum ging, modern, qualitätvoll und wirtschaftlich zu bauen.
Otto Bartning um 1930
(Foto: AdK)
In der Nazizeit ging er nicht ins Exil wie viele Weggefährten, verlor aber an Einfluss, hielt sich von der Naziideologie fern und baute ausschließlich Kirchen. Politisch unbelastet spielte Bartning in der Nachkriegszeit eine wichtige Rolle als Integrationsfigur und Brückenbauer zu vertriebenen Kollegen, ab 1950 als Präsident des Bundes Deutscher Architekten. Das Wort "Wiederaufbau" lehnte er ab: "Aber schlichte Räume lassen sich auf den bestehenden Grundmauern und aus den brauchbaren Trümmerstoffen errichten." Auf gesellschaftliche Herausforderungen angemessen zu reagieren, als Architekt das Beste daraus zu machen, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen, diese Grundhaltung zieht sich durch Bartnings vielfältiges Werk, das in der großen Akademieausstellung und in dem schönen Katalog eine völlig angemessene Würdigung erfährt.

Bis 18. 6. 2017 in der Akademie der Künste am Hanseatenweg
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