Quelle: Bundesarchiv/Wikimedia |
Der drohende Abriss der Kant-Garagen war sogar die New York Times einen ausführlichen Bericht wert (hier lesen).
In einem offenen Brief protestieren zahlreiche Fachleute aus Denkmalpflege, Architekturszene und Publizistik gegen den verantwortungslosen Umgang mit dem Baudenkmal:
Sehr geehrter Herr Pepper,
sehr geehrter Herr Senator Müller,
sehr geehrter Herr Bezirksstadtrat Schulte,
am 1. August 2013 hat die Öffentlichkeit über Medien vom geplanten Abriss des Kant-Garagen- Palastes in Berlin-Charlottenburg erfahren. Wir, die Unterzeichner, appellieren an den Eigentümer und an alle Verantwortlichen, die Kant-Garage zu erhalten. Wir bitten, vorliegende Gutachten zum Erhaltungszustand des Bauwerks und seiner wirtschaftlichen Nutzung öffentlich zugänglich zu machen. Wir bieten unsere Mithilfe an, insbesondere unsere fachliche Expertise und Erfahrung auf dem Gebiet der Denkmalsanierung, um Möglichkeiten der Instandsetzung und wirtschaftlich zumutbaren Denkmalnutzung zu entwickeln. Wir bitten deshalb, ein Moratorium zu gewähren, das die Chance eröffnet, mit Fachleuten, Finanziers und möglichen Nutzern ein gemeinsames Konzept zur Instandsetzung und zum Weiterbetrieb der Hochgarage zu erarbeiten.
Die Gründe für den Erhalt der Kant-Garage als europäisches Kulturerbe sind gewichtig und vielfältig: Das von 1929 bis 1930 errichtete Verkehrsbauwerk ist ein bis heute nahezu unverändert erhaltener Schlüsselbau der europäischen Mobilitätsgeschichte und der neuen Bauaufgabe Hochgarage. Sie ist die einzige bestehende Hochgarage der Weimarer Republik in Berlin und Brandenburg – und mit ihrer doppelgängigen Wendelrampe sowie der gläsernen Vorhangfassade nahezu einzigartig in Europa.
Die Kant-Garage ist darüber hinaus das letzte verbliebene Bauwerk des Architekten Hermann Zweigenthal in Deutschland und das einzige Bauwerk der Bürogemeinschaft mit Richard Paulick. Hermann Zweigenthal wurde 1904 in Wien geboren und verstarb 1968 in den Vereinigten Staaten als Hermann Herrey. Zweigenthal und Paulick studierten an der Technischen Hochschule Berlin bei Hans Poelzig und mussten ebenso wie der Eigentümer der Garage, Louis Serlin, vor den Nationalsozialisten ins Exil fliehen.
Seit 1991 ist die Garage auf der Denkmalliste des Landes Berlin als Baudenkmal der Weimarer Moderne verzeichnet. Der hohe Denkmalwert äußert sich in zahlreichen architekturhistorischen Publikationen sowie wissenschaftlichen Forschungsarbeiten, in denen der Bau dargestellt und gewürdigt wird. Die hohe baukünstlerische Bedeutung der Kant-Garage begründet sich anhand von zwei weltweit anerkannten Kriterien: Zum einen ist das Bauwerk authentisch und weitgehend unversehrt erhalten – und bis heute ungebrochen in seiner ursprünglichen Nutzung in Gebrauch. Zum anderen ist die Hochgarage ein technisch und architektonisch einzigartiges Zeugnis der sozialen Bewegung des »automobilisme« in Deutschland und der Mobilitätsgeschichte des 20. Jahrhunderts. Verkehrsbauten wie diese bilden als Architektur für Automobile eine historische Schicht unserer Städte.
Der nunmehr von der Kantgaragen Grundstücksgesellschaft mbH beantragte Abriss hätte den unwiederbringlichen Verlust eines Bau- und Technik-Denkmals von europäischem Rang zur Folge. Wünschenswert kann nur die denkmalgerechte Reparatur und Erneuerung und damit der Erhalt des Bauwerks mitsamt seiner bauzeitlichen Ausstattung als Garage sein. Die Zerstörung seiner historischen Unversehrtheit – der doppelgängigen Wendelrampe, der Boxen, der großartigen Vorhangfassade und der sachlichen Straßenfront – ist nicht entschuldbar und wäre eine Tragödie.
Allerdings verursacht die denkmalgerechte Erneuerung des Bauwerks erhebliche Kosten, die dem Eigentümer nur im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren aufgebürdet werden dürfen. Der Eigentümer der Kant-Garage, der sich in der Vergangenheit mehr als einmal als verantwortungsbewusster Unternehmer um denkmalgerechte Sanierungen verdient gemacht hat, darf nicht allein gelassen werden. Die Familie Pepper zeigte unter anderem mit der Errichtung des Europa-Centers Mut und Verantwortung, und setzte der Inselstadt West-Berlin ein in die Zukunft weisendes Zeichen. Mit dem Erhalt der Kant-Garage würde erneut die verantwortungsvolle Tätigkeit der Familie als Bauherr in Berlin spürbar.
Die Kosten der Erneuerung und die laufenden Instandhaltungskosten für den Betrieb sind aktuell Anlass für den Abrissantrag. Nach gutachterlicher Feststellung des Erneuerungsumfangs sollte auch darüber verhandelt werden, wie der Eigentümer bei einer denkmalgerechten Erneuerung durch Öffentlichkeit und Denkmalförderung unterstützt werden kann. An den unrentierlichen Gesamtkosten müssen sich das Land Berlin und die Bundesrepublik Deutschland beteiligen, weil es auch ihre Aufgabe ist, ein Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung zu bewahren. Erforderlich scheint eine Gemeinschaftsanstrengung der besonderen Art, die auch ungewöhnliche Wege der Bündelung von Fördermitteln nicht scheut. Denkmalstiftungen und Denkmalfreunde sind ebenso aufgerufen sich zu beteiligen, wie Denkmalexperten für das Erbe der Moderne.
Dass ein derartiges Vorhaben gelingen kann, zeigt das Beispiel Bauverein Halle & Leuna eG, die 2007 bis 2011 die »Groß-Garage-Süd« mit Unterstützung des Bundes, des Landes Sachsen-Anhalt und der Stadt Halle/Saale unter denkmalgerechten Aspekten erneuern ließ. Die 1929 fertiggestellte Aufzugs- Hochgarage wird heute als Quartiersgarage und zusätzlich u.a. für Ausstellungszwecke genutzt. Dieses in Deutschland singuläre Baudenkmal blieb erhalten, obwohl der Bauzustand deutlich schlechter war.
Wir, die Unterzeichner, sind davon überzeugt, dass auch die Kant-Garage als herausragendes Zeugnis der Berliner Baukultur einen bleibenden Platz verdient.
Der Erhalt und die Erneuerung der Kant-Garage sollten deshalb zur gemeinsamen Aufgabe werden.
Kontakt:
René Hartmann Torstraße 220 10115 Berlin rene_hartmann@web.de
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