Dienstag, 3. September 2013

Dringender Appell: Rettet die Kant-Garagen!

Quelle: Bundesarchiv/Wikimedia
Hinweis: Zum aktuellen Stand der Auseinandersetzungen siehe den Artikel aus der Berliner Zeitung vom 11. März 2014.

Der drohende Abriss der Kant-Garagen war sogar die New York Times einen ausführlichen Bericht wert (hier lesen).

In einem offenen Brief protestieren zahlreiche Fachleute aus Denkmalpflege, Architekturszene und Publizistik gegen den verantwortungslosen Umgang mit dem Baudenkmal:

Sehr geehrter Herr Pepper, 
sehr geehrter Herr Senator Müller, 
sehr geehrter Herr Bezirksstadtrat Schulte,

am 1. August 2013 hat die Öffentlichkeit über Medien vom geplanten Abriss des Kant-Garagen- Palastes in Berlin-Charlottenburg erfahren. Wir, die Unterzeichner, appellieren an den Eigentümer und an alle Verantwortlichen, die Kant-Garage zu erhalten. Wir bitten, vorliegende Gutachten zum Erhaltungszustand des Bauwerks und seiner wirtschaftlichen Nutzung öffentlich zugänglich zu machen. Wir bieten unsere Mithilfe an, insbesondere unsere fachliche Expertise und Erfahrung auf dem Gebiet der Denkmalsanierung, um Möglichkeiten der Instandsetzung und wirtschaftlich zumutbaren Denkmalnutzung zu entwickeln. Wir bitten deshalb, ein Moratorium zu gewähren, das die Chance eröffnet, mit Fachleuten, Finanziers und möglichen Nutzern ein gemeinsames Konzept zur Instandsetzung und zum Weiterbetrieb der Hochgarage zu erarbeiten.
Die Gründe für den Erhalt der Kant-Garage als europäisches Kulturerbe sind gewichtig und vielfältig: Das von 1929 bis 1930 errichtete Verkehrsbauwerk ist ein bis heute nahezu unverändert erhaltener Schlüsselbau der europäischen Mobilitätsgeschichte und der neuen Bauaufgabe Hochgarage. Sie ist die einzige bestehende Hochgarage der Weimarer Republik in Berlin und Brandenburg – und mit ihrer doppelgängigen Wendelrampe sowie der gläsernen Vorhangfassade nahezu einzigartig in Europa.
Die Kant-Garage ist darüber hinaus das letzte verbliebene Bauwerk des Architekten Hermann Zweigenthal in Deutschland und das einzige Bauwerk der Bürogemeinschaft mit Richard Paulick. Hermann Zweigenthal wurde 1904 in Wien geboren und verstarb 1968 in den Vereinigten Staaten als Hermann Herrey. Zweigenthal und Paulick studierten an der Technischen Hochschule Berlin bei Hans Poelzig und mussten ebenso wie der Eigentümer der Garage, Louis Serlin, vor den Nationalsozialisten ins Exil fliehen.

Seit 1991 ist die Garage auf der Denkmalliste des Landes Berlin als Baudenkmal der Weimarer Moderne verzeichnet. Der hohe Denkmalwert äußert sich in zahlreichen architekturhistorischen Publikationen sowie wissenschaftlichen Forschungsarbeiten, in denen der Bau dargestellt und gewürdigt wird. Die hohe baukünstlerische Bedeutung der Kant-Garage begründet sich anhand von zwei weltweit anerkannten Kriterien: Zum einen ist das Bauwerk authentisch und weitgehend unversehrt erhalten – und bis heute ungebrochen in seiner ursprünglichen Nutzung in Gebrauch. Zum anderen ist die Hochgarage ein technisch und architektonisch einzigartiges Zeugnis der sozialen Bewegung des »automobilisme« in Deutschland und der Mobilitätsgeschichte des 20. Jahrhunderts. Verkehrsbauten wie diese bilden als Architektur für Automobile eine historische Schicht unserer Städte.
Der nunmehr von der Kantgaragen Grundstücksgesellschaft mbH beantragte Abriss hätte den unwiederbringlichen Verlust eines Bau- und Technik-Denkmals von europäischem Rang zur Folge. Wünschenswert kann nur die denkmalgerechte Reparatur und Erneuerung und damit der Erhalt des Bauwerks mitsamt seiner bauzeitlichen Ausstattung als Garage sein. Die Zerstörung seiner historischen Unversehrtheit – der doppelgängigen Wendelrampe, der Boxen, der großartigen Vorhangfassade und der sachlichen Straßenfront – ist nicht entschuldbar und wäre eine Tragödie.
Allerdings verursacht die denkmalgerechte Erneuerung des Bauwerks erhebliche Kosten, die dem Eigentümer nur im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren aufgebürdet werden dürfen. Der Eigentümer der Kant-Garage, der sich in der Vergangenheit mehr als einmal als verantwortungsbewusster Unternehmer um denkmalgerechte Sanierungen verdient gemacht hat, darf nicht allein gelassen werden. Die Familie Pepper zeigte unter anderem mit der Errichtung des Europa-Centers Mut und Verantwortung, und setzte der Inselstadt West-Berlin ein in die Zukunft weisendes Zeichen. Mit dem Erhalt der Kant-Garage würde erneut die verantwortungsvolle Tätigkeit der Familie als Bauherr in Berlin spürbar.
Die Kosten der Erneuerung und die laufenden Instandhaltungskosten für den Betrieb sind aktuell Anlass für den Abrissantrag. Nach gutachterlicher Feststellung des Erneuerungsumfangs sollte auch darüber verhandelt werden, wie der Eigentümer bei einer denkmalgerechten Erneuerung durch Öffentlichkeit und Denkmalförderung unterstützt werden kann. An den unrentierlichen Gesamtkosten müssen sich das Land Berlin und die Bundesrepublik Deutschland beteiligen, weil es auch ihre Aufgabe ist, ein Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung zu bewahren. Erforderlich scheint eine Gemeinschaftsanstrengung der besonderen Art, die auch ungewöhnliche Wege der Bündelung von Fördermitteln nicht scheut. Denkmalstiftungen und Denkmalfreunde sind ebenso aufgerufen sich zu beteiligen, wie Denkmalexperten für das Erbe der Moderne.
Dass ein derartiges Vorhaben gelingen kann, zeigt das Beispiel Bauverein Halle & Leuna eG, die 2007 bis 2011 die »Groß-Garage-Süd« mit Unterstützung des Bundes, des Landes Sachsen-Anhalt und der Stadt Halle/Saale unter denkmalgerechten Aspekten erneuern ließ. Die 1929 fertiggestellte Aufzugs- Hochgarage wird heute als Quartiersgarage und zusätzlich u.a. für Ausstellungszwecke genutzt. Dieses in Deutschland singuläre Baudenkmal blieb erhalten, obwohl der Bauzustand deutlich schlechter war.
Wir, die Unterzeichner, sind davon überzeugt, dass auch die Kant-Garage als herausragendes Zeugnis der Berliner Baukultur einen bleibenden Platz verdient.
Der Erhalt und die Erneuerung der Kant-Garage sollten deshalb zur gemeinsamen Aufgabe werden.

Akademie der Künste Klaus Staeck, Arbeitsgemeinschaft Nachkriegsmoderne der Technischen Universität Berlin, Architektenkammer Berlin, Frank Augustin, Rainer Autzen, Louis Back, Andreas Barz, bauhaus archiv museum für gestaltung berlin, Eva Barkhofen (Sprecherin der Föderation deutscher Architektursammlungen), Dieter Bartetzko, Jürgen Bauer, Klaus J. Beckmann, Anja Beecken, Nikolaus Bernau, Tom Bestgen, Michael Bienert, Uli Borgert, Sigrid Brandt, Winfried Brenne, Michael Bollé, Franziska Bollerey, Jutta Bornholdt-Cassetti, Justus Burtin, Ben Buschfeld, Melanie Buschmann, Andreas Butter, Adrian von Buttlar, Bund Deutscher Architekten, Bürgerverein Hansaviertel e.V., Erdmuthe Carlini, Silvia Carpaneto, Markus Coelen, Constanze Cremer, Julia Dech, V.W. Degen, Denk mal an Berlin e.V, Lore Dietzen, Deutscher Werkbund Berlin, Deutsches Nationalkomitee von ICOMOS, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, DAM Deutsches Architekturmuseum, Deutsches Natio- nalkomitee von TICCIH (The International Committee for the Conservation of the Industrial Heritage), Alex Dill, Cay Dobberke, DOCOMOMO Deutschland e.V., DOCOMOMO International, Gabi Dolff-Bonekämper, Elke Dorner, Anne Katharina Dörnbrack, Peter Dreß, Wulf Eichstädt, Franziska Eichstädt-Bohlig, Erdmuthe Ellinger, Oliver Elser, E. Elwes, ExRotaprint gGmbH, Michael Falser, Silvia Fehrmann, Gundula Fink, Herbert Fink, Thomas Flierl, Förderverein Corbusierhaus e.V., Petra Friedrich, Turit Fröbe, Constanze Fuhrmann, Bernhard Furrer, Joachim Ganz, Gaslicht-Kultur e.V., Siegwart Geiger, Kaye Geipel, Gesellschaft für Bautechnikgeschichte, Gesellschaft zur Erforschung des Lebensund Wirkens deutschsprachiger jüdischer Architekten e.V., Ephraim Gothe, Martin Götz, Martin Griffin, Anna Gwinner, Mila Hacke, Ute Hassler, René Hartmann, Christine Hartmann, Susanne Hauser, Haus der Kulturen der Welt, Ute Heimrod, Georg Heinrichs, Henriette Heischkel, Hermann Hensel- mann Stiftung, Verena Herzog, Roman Hillmann, Alexander Hoff, Godehard Hoffmann, Jürgen Hof- mann, Bärbel Högner, Sibylle Hoiman, Gajana Holland, Karl-Friedrich Hörnlein, Petra Marion Huhn, Hütten & Paläste Architekten, Annemarie Jaeggi, Carola Janowski, Bernd Jansen, Christian Jagusch, Ernst Jakoby, Katharina Jantzen, Werner Jockeit, Britta Jürgens, Andrea Jütten, Petra Kahlfeldt, Jutta Kalepky, Kai Kappel, Helmer Karau, Thomas Katzke, Uwe Kiesseler, Gunnar Klack, Doris Kleilein, Ulrich Knufinke, Florian Köhl, Jens-Uwe Köhler, Gina Köhler, Wolfgang König, Andreas Krüger, Bernd Krüger, Thomas M. Krüger, Ingeborg Kühler, Ulli Lautenschläger, Morag Leo, Hilde Leon, Katrin Lesser, Meinhard Loibl, Margrit Lorenz, Thomas Loy, Antje Marczinowski, Claudia Marcy, Monika Markgraf, Ulrich Meyer, Markus Kurth, Wolfgang Matthies, Elke Mittmann, Museum für sächsische Fahrzeuge e.V. Chemnitz, Elvira Münster, Uwe Neumann, Ulrich Nickmann, M. Nitschke, Beate Nowak, Simone Oelker-Czychowski, Ruth Pabst, Karl Pächter, Norbert Palz, Susanne Pfankuch, Elisabeth Pfefferkorn, Erhart Pfotenhauer, Antje Pieper, Heike Pieper, Jürgen Platena, Holger Pluder, Axel Pöhl, Uta Pottgiesser, Judith Raum, Rolf Rave, Bernd Reimers, Ursula Rieger, Walter Rolfes, Hans Roth, Matthias Rudolph, Carsten Ruhl, Peter Rumpf, Jörg Rüter, Barbara Schäche, Wolfgang Schäche, Schaustelle Nachkriegsmoderne, Markus Scheffler, Bernd M. Scherer, Frank Seehausen, Matthias Schirren, Gerhard Schlenzig, Bernhard Schmidt, Margot Schmidt-Nehmet, Thomas Schmitt, Bernhard Schneider, Rolf Schneider, Christian Schöningh, Hermann Schultz, Carola Seppeler, Wolfgang Sonne, Thomas Steigenberger, Uwe Stelzer, Stiftung Bauhaus Dessau Philipp Oswalt, Beate Störtkuhl, Studentendorf Schlachtensee eG, Erika Stimming, Norbert, Tempel, Georgia Tornow, Ana Tostoes, Tobias Vogel, Wolfgang Voigt, Gisela Voss-Geiger, Sandra Wagner-Conzelmann, Charis Wegener, Stephan Weissbrich, Klaus Wiechers, Ulrike Wilkens, Karl-Heinz Winkens, Theo Winters, Kerstin Wittmann-Englert, Birgit Wolf, Dietrich Worbs, Wüstenrot Stiftung, Anke Zalivako, Diana Zitzmann, Tina Zürn

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