Dienstag, 25. Juni 2013

Neue Publikation über den Jüdischen Friedhof in Weissensee

Die Grabstätte Mendel von Walter Gropius
“Du siehst noch drei, vier fremde Städte, / du siehst noch eine nackte Grete, / noch zwanzig–, dreißigmal den Schnee – / Und dann: / Feld P – in Weissensee – / in Weisssensee.” So endet ein 1925 in der “Weltbühne” gedrucktes Gedicht von Kurt Tucholsky, doch sein Grab sucht man auf dem jüdischen Friedhof in Weissensee vergebens. Im Gräberfeld T2, nahe der Friedhofsmauer, kann man eine Grabstelle für seinen Vater Alex und seine Mutter Doris Tucholsky (Feld T2) entdecken. Sie jedoch wurde hier auch nicht begraben, sondern kam 1943 im Konzentrationslager Theresienstadt ums Leben. Der Sohn Kurt Tucholsky starb wie viele jüdische Berliner, die das Kulturleben der Stadt in den Zwanziger Jahren prägten, im Exil. 1935 wurde er im schwedischen Mariefred nahe Schloss Gripsholm begraben.

Der jüdische Friedhof in Weissensee mit über 115.000 Grabstätten ist flächenmäßig der größte in Europa. In den Zwanziger Jahren waren mit der Verwaltung und Pflege des Geländes rund 250 Personen beschäftigt. Pompöse Mausoleen, historistische Tempelchen und die Trauerhalle aus der Kaiserzeit bestimmen das architektonische Erscheinungsbild der Friedhofsanlage, dazwischen finden sich Grabstellen, die deutlich vom Zeitgeschmack der Zwanziger Jahre beeinflusst sind. 1927 wurde das Ehrenmal für 12.000 im Ersten Weltkrieg gefallene jüdische Soldaten eingeweiht. Aus den Werkstätten des Weimarer Bauhauses stammt das von Walter Gropius entworfenen Grabmal für den 1922 verstorbenen Kaufmann Albert Mendel: Ein prismenförmiger steinerner Sarkophag, der mit dem Rahmen und Dach der Rückwand eine spannungsvolle Raumkomposition bildet.

Das Landesdenkmalamt Berlin und das Institut für Architektur, Fachgebiet Bau- und Stadtbaugeschichte der TU Berlin haben dieser Tage eine neue Publikation über den Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee vorgelegt. Anlass ist die Dokumentation von über 100.000 Grabstellen durch das Institut für Architektur, Fachgebiet Bau- und Stadtbaugeschichte der TU Berlin. Die Publikation über den aktuellen Forschungsstand kann kostenfrei heruntergeladen werden. Zum Download

Textauszug aus: Michael Bienert/Elke Linda Buchholz, Die Zwanziger Jahre in Berlin, 5. Auflage 2013. 

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