Montag, 6. Juli 2020

John Heartfields Berlin - ein Streifzug

John-Heartfield-Ausstellung in der Akademie der Künste
Von Michael Bienert Als SA-Männer an der Wohnungstür rumorten, rettete sich der Künstler durch einen Sprung vom Balkon. Zum Glück lag die Wohnung im Hochparterre. Im Hof diente der ausgediente Leuchtreklamekasten eines Friseurs als Versteck. Ohne Papiere floh John Heartfield aus Berlin ins schlesische Oberschreiberhau und überquerte an Ostern 1933 die grüne Grenze nach Tschechien zu Fuß. In Prag tauchte er dann im Café Continental auf, wo andere deutsche Emigranten schon auf ihn warteten.
Das Adressbuch „Künstlerspuren“ von Detlef Lorenz nennt als Ort der Beinahe-Verhaftung das Haus Bleibtreustraße 7, am S-Bahnhof Savignyplatz gleich neben der Stadtbahn. Die alten Berliner Adressbücher verzeichnen keinen Heartfield oder Herzfeld, wie er bürgerlich hieß, nur den Bruder und Malik-Verleger Wieland Herzfelde, der am Kurfürstendamm 76 wohnte. In der Bleibtreustraße 7 gab es mehrere Künstlerateliers und einen Friseur – das alles passt schon.
Heute erinnern fünf Stolpersteine vor dem Haus an die Familie des Diamantenhändlers Abraham Wysniak, dessen Frau Dvora und Tochter Asta im Warschauer Ghetto starben. An der Bleibtreustraße 15 hängen Gedenktafeln für den 1933 vertriebenen Kunsthändler Alfred Flechtheim und die Schauspielerin Tilla Durieux. Und an der Nummer 10/11 gibt es den Hinweis auf die „alte Wunde, unvernarbt“ Mascha Kalékos, die 1974 in ihrem Gedicht „Bleibtreu heißt die Straße“ schrieb: „Hier war mein Glück zu Hause. Und meine Not. / Hier kam mein Kind zur Welt. / Und mußte fort. / Hier besuchten mich meine Freunde / Und die Gestapo.“ Eine Gedenktafel für John Heartfield würde die Betextung der Bleibtreustraße gut ergänzen. Weiterlesen

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen