Samstag, 23. Dezember 2017

Fritz Ascher - Wiederentdeckung eines Malers

Die Ausstellung läuft bis zum
11. 3. 2018 in der
Villa Oppenheim.
Von Elke Linda Buchholz - Einen so vollständig vergessenen Künstler zurückzuholen in die Aufmerksamkeit, braucht Kraft, Geduld und kreative Energie. Vor 30 Jahren stieß die deutsch- amerikanische Kuratorin Rachel Stern bei einem Sammler auf Arbeiten von Fritz Ascher. Sie hatte noch nie von ihm gehört. Jetzt ist sie als quasi weltweit einzige Expertin für den 1893 geborenen Maler wieder zurück in der Stadt, wo auch er einst gelebt und gearbeitet hat. Hier bei Max Liebermann holte der junge Wilde sich als 16-Jähriger nach abgebrochener Schule die höheren Weihen einer Empfehlung an die Königsberger Kunstakademie und startete zwischen Secessionisten und Expressionisten seine Karriere. Hier in Berlin war es, wo er von den Nazis drangsaliert, inhaftiert, in Kellerverstecke gedrängt wurde und trotzdem überlebte. Weiterlesen im Tagesspiegel

Freitag, 22. Dezember 2017

Benjamin und Brecht - Denken in Extremen - Ausstellung in der Akademie der Künste

Noch bis 28. Januar 2018 zeigt die Akademie der Künste ihre große Ausstellung Benjamin und Brecht - Denken in Extremen, die aus dem Vollen schöpfen kann, immerhin gehören die umfangreichen Werkarchive des Kritikers und des Dichters zu ihrem Bestand. Zwischen beiden Intellektuellen hat es nicht gleich gefunkt. Als eine gemeinsame Freundin, die Kommunistin Asja Lacis, sie 1924 in Berlin zusammenbrachte, kam kein konstruktiver Dialog in Gang. Das änderte sich etwa 1929, vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise und des Aufstiegs der Nationalsozialisten: Brecht und Benjamin reagierten darauf mit einer verstärkten Orientierung an der marxistischen Gesellschaftstheorie. Sie teilten die Hoffnung auf die Arbeiterklasse als historischer Macht, stark genug, die Herrschaft des Bürgertums zu beenden und dem Faschismus paroli zu bieten. Es gab Pläne für eine Lesegemeinschaft gegen Heidegger und eine Zeitschrift mit dem Namen Krisis und Kritik; sie sollte eingreifendes Denken lehren. Brecht und Benjamin flohen vor den Nazis und setzten ihr Gespräch fort, brieflich und während Benjamins drei Aufenthalten in Brechts dänischem Exil. Fotos zeigen sie im Garten des Brechtschen Häuschens in Svendborg beim Schachspiel: Brecht war der aggressivere Spieler, Benjamin der bedächtig-defensive. Meistens gewann Brecht. Dass beide den Temperamentsunterschied und den Widerspruch des Gegenübers suchten, spricht für ihre Größe. Die Ausstellung arbeitet mit sorgfältig ausgesuchten Dokumenten und einer exzellenten Betextung (für die Typografie zeichnet Friedrich Forssmann verantwortlich) die Gegensätze heraus: Brecht konnte mit Benjamins Aura-Theorie sowenig anfangen wie mit dessen Begeisterung für Baudelaire. Brecht warnte Benjamin, sich zu sehr in Abhängigkeit vom Institut für Sozialforschung Adornos und Horkheimers zu begeben, jene sahen den Einfluss Brechts auf Benjamin als verhängnisvoll an. Beide teilten die Faszination durch Kafkas Schriften, kamen aber zu ganz unterschiedlichen Einschätzungen seiner Bedeutung. Beide sahen sich durch den Rundfunk und die technische Reproduzierbarkeit von Kunst herausgefordert, waren auf der Suche nach einer neuen, zeitgemäßen Kunst und den richtigen Begriffen dafür. Gemeinsam arbeiteten sie am Plot für einen Kriminalroman. Als Brecht 1941 vom Tod des schwierigen Freundes erfuhr, der sich bei der Flucht über die Pyrenäen das Leben genommen hatte, was der Dichter erschüttert; mehrere Gedichte zeugen davon. "Neuer Gedanken Heraufkunft und neuer Schwierigkeiten", das allein hätte ihn doch im Leben halten müssen, ruft Brecht dem verlorenen Gesprächspartner nach. Um die Zeugnisse ihres Dialogs legt sich in der Ausstellung der Akademie ein Kranz von Arbeiten jüngerer Künstler - so hat Stefan Thiemann den Kriminalroman der beiden Meisterdenker als Graphic Novel in Holz geschnitten und Alexander Kluge eine Videocollage beigesteuert; für ihn sind Benjamin und Brecht "Steuerungsengel im Dickicht des 21. Jahrhundert" geblieben. Infos zur Ausstellung

Freitag, 17. November 2017

Berlin Babylon - wie es wirklich war

Die Fernsehserie Berlin Babylon hat das Interesse am Berlin der Weimarer Republik neu befeuert, mit der Kleinen Zeitung hat Michael Bienert darüber gesprochen, wie wenig golden Berlin damals wirklich war:

http://www.text-der-stadt.de/KlZ_Okt_2017.jpg

Sonntag, 29. Oktober 2017

Yolla Niclas und Alfred Döblin

Bauarbeiter in Berlin, um 1930
Foto: Yolla Niclas (aus dem
besprochenen Band)
Der Frankfurter Literaturwissenschaftler und Fotohistoriker Eckhardt Köhn untersucht in einer Monographie luzide die langjährige Beziehung Alfred Döblins zu seiner Freundin und "Schwesterseele" Yolla Niclas. Dabei kommt sie nicht nur als Anhängsel der literaturwissenschaftlichen Forschung, sondern als eigenständige Künstlerpersönlichkeit zu ihrem Recht.

Am 24. Februar 1900 wurde Charlotte Niclas in Berlin als Tochter eines jüdischen Kaufmanns geboren, mit 20 lernte sie auf einem Ball den mehr als doppelt so alten verheirateten Arzt und Dichter Alfred Döblin kennen: der Anfang einer für beide ebenso beglückenden wie schmerzhaften Beziehung, da es für Döblin unmöglich war, sich von seiner Frau und den Kindern zu trennen, trotz der seelischen Übereinstimmung, die er im Zusammensein mit der jüngeren Freundin empfand. Etwa um dieselbe Zeit schloss Niclas eine Ausbildung zur Fotografin beim Lette-Verein ab und arbeitete zunächst als Standfotografin beim Film für den innovativen Kameramann Karl Freund. Bald machte sie sich in Berlin selbständig und fand Anerkennung als Porträt- und Werbefotografin. So stellte die Zeitschrift Gebrauchsgrafik ihre Arbeit 1932 auf sechs Seiten vor, und auch im Pariser Exil konnte Niclas bis zum Einmarsch der Deutschen ihren Lebensunterhalt als Fotografin verdienen. Niclas´ Fotos von Berliner und Pariser Alltags- und Straßenszenen lassen ein Interesse am städtischen Alltag erkennen, das sie mit Döblin teilte. Leider ging ihr gesamtes fotgrafisches Frühwerk im Zweiten Weltkrieg fast vollständig verloren, ebenso wie zahllose Briefe, die ihr Döblin geschrieben hat.
Aus dem besetzten Frankreich gelang Yolla Niclas, inzwischen mit einem aus Deutschland geflohenen jüdischen Rechtsanwalt verheiratet, die Flucht in die USA, wo sie ihrer großen Liebe wiederbegegnete. Nach großen Startschwierigkeiten konnte sie in der USA bald wieder als Fotografin reüssieren, empfohlen von dem berühmten Alfred Stieglitz, der ihr Werk als "all fresh and her own" lobte. Niclas´ letzte großen Arbeiten waren Kinderbücher mit anspruchsvollen Fotoerzählungen; sie starb 1977, zwanzig Jahre nach Döblin.
Köhns Publikation in der Reihe "Fotofalle" ist für Döblin-Liebhaber und -Forscher schon deshalb ein Muss, weil hier erstmals Niclas´ eigene Erinnerungen an ihre Freundschaft mit Döblin in Gänze nachzulesen sind; sie hatte das Manuskript noch zu Lebzeiten dem Deutschen Literaturarchiv anvertraut und bis 2005 gesperrt. Der Herausgeber Eckhardt Köhn zieht in seinem detektivischen Essay weitere Quellen und Werke Döblins heran, um dieser unauflösbaren Liebesbeziehung auf die Spur zu kommen. Das Gefühl seelischer Verbundenheit hat den Dichter in seiner naturphilosophischen Annahme bestärkt, es existiere eine geheime Einheit der beseelten Natur; ähnlich hat Yolla Niclas selbst ihre Bindung an Döblin über den Tod hinaus interpretiert. In seinem letzten Brief verabschiedete Döblin sich von ihr mit den Worten: "Ich eine kleine Wolke am Himmel."

Eckhardt Köhn (Hg.)
Yolla Niclas und Alfred Döblin
Fotofalle 3, 140 Seiten, zahlreiche Abbildungen
Edition Luchs, Lautertal 2017, 24 Euro
ISBN  978-3-00-057707-9

Bestellbar über:
Edition Luchs
An der Teichmühle 15
36369 Lautertal
edition.luchs@gmx.de

Donnerstag, 26. Oktober 2017

Döblins Pankow

In der ehemaligen Irrenanstalt in Buch hat
Alfred Döblin als junger Assistenzarzt gearbeitet.
Foto aus DÖBLINS BERLIN.
Was hat Alfred Döblin mit Pankow zu tun? Das wollte Christian Hönicke für den Tagesspiegel-Newsletter Pankow wissen, der heute per Mail verschickt wurde. Anlass ist das Erscheinen des Buches DÖBLINS BERLIN von Michael Bienert: 

Hönicke: Herr Bienert, wo hat Sie Döblin hingeführt?

Bienert: Döblin war vor allem „Ostler“, so nannte er sich einmal selbst. Er kannte das ansässige Arbeitermilieu im Ostteil der Stadt aus erster Hand und hat es präzise und unideologisch mit allen Widersprüchen beschrieben, etwa in seinem großen Revolutionsroman „November 1918“. Sein Lebensmittelpunkt war lange die Gegend um die Frankfurter Allee. Aber natürlich verschlug es ihn auch über die Bezirksgrenzen, nach Lichtenberg, Kreuzberg und auch ins heutige Pankow.

Hönicke: Ein Kapitel haben Sie seiner Arbeit in Buch im heutigen Bezirk Pankow gewidmet. Welche Rolle spielt die kurze Episode in seinem Leben und seinem Werk?

Bienert: Eine durchaus wichtige. Er hat von 1906 bis 1908 als junger Assistenzarzt in der Städtischen Irrenanstalt in Buch (siehe Fotos) gearbeitet, dort lernte er auch die Pflegerin Frieda Kunke kennen; aus dem Verhältnis ging Döblins unehelicher Sohn Bodo hervor. Später hat er Buch durch „Berlin Alexanderplatz“ zum Schauplatz von Weltliteratur gemacht. Seine alltäglichen Erlebnisse bilden die Grundierung für das große Finale des Romans, für Franz Biberkopfs Ringen mit dem Tod im sogenannten „Festen Haus“ in Buch. In dem wurden psychisch gestörte Kriminelle von den anderen Patienten getrennt untergebracht. Das ist auch deswegen spannend, weil das Haus bis heute dieselbe Funktion hat, obwohl der Rest der Anlage in der Nazizeit zu einer normalen Klinik umgewandelt wurde. Dafür wurde die Mehrzahl der Insassen verschleppt und ermordet.

Hönicke: Welche Orte in Pankow sind noch von Relevanz für Döblins Berlin?

Bienert: In „Berlin Alexanderplatz“ taucht das Obdachlosenasyl Fröbelstraße in Prenzlauer Berg auf, in dem sich heute das Krankenhaus befindet. Ob Döblin je selbst dort war, ist unklar, aber er muss mit Leuten zu tun gehabt haben, die das Asyl kannten. Seine Beschreibungen sind sehr detailliert und kenntnisreich. Der frühere Zentralviehhof im südlichen Zipfel von Prenzlauer Berg wurde durch „Berlin Alexanderplatz“ ebenfalls weltberühmt. Der gehörte quasi zur Nachbarschaft seiner Wohnung in der Frankfurter Allee. Und auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee sind Döblins Mutter und seine Schwester begraben.

Hinweis: Am 7. Dezember liest Michael Bienert um 20 Uhr in der Buchhandlung Chaiselongue in der Dietzgenstraße 68 (Niederschönhauen) aus seinem Buch (Verlag für Berlin-Brandenburg, 192 Seiten, 200 Abb., 25 Euro). Autor und Verlag sind übrigens auch in Pankow ansässig.

Samstag, 7. Oktober 2017

DÖBLINS BERLIN - ab sofort im Handel!

Das neue Buch von Michael Bienert ist aus der Druckerei gekommen und so schön geworden wie  KÄSTNERS BERLIN und E. T. A. HOFFMANNS BERLIN. Das Triple ist also gelungen und von Autor und Verleger begossen worden. Bis Weihnachten sind sechs Lesungen in Berlin geplant, weitere Veranstaltungen in Vorbereitung.

Freitag, 1. September 2017

Führungen durch die Flusspferdhofsiedlung am 9. September - noch Plätze frei!

Bruno Heider, Bauleiter der
Flusspferdhofsiedlung, um 1933
Für die Führungen von Michael Bienert in der Flusspferdhofsiedlung in Lichtenberg am Tag des offenen Denkmals (9. September um 11 und 14 Uhr) sind noch einige Plätze frei, obwohl die erste Anmeldefrist abgelaufen ist. Neben den Weltkulturerbesiedlungen gehört die 1932 bis 1934 errichtete Flusspferdhofsiedlung zu den bedeutendsten Leistungen des sozialen Wohnungsbaus der Weimarer Republik in Berlin. Sie ist mit rund 837 Wohnungen sozusagen die "kleine Schwester" der großen Reichsforschungsiedlung in Spandau-Haselhorst. Die Führung mit Besichtigung der denkmalgeschützten Gartenanlagen und einer Wohnung dauert etwa eine Stunde, die Teilnahme kostenlos. Anmeldungen bitte möglichst rasch, spätestens bis 6. September an Jarno Hansen (Gewobag), j.hansen@gewobag.de oder Tel. 47081541.

Brunnenanlage der Siedlung im Frühjahr 2017.

Döblins Berlin - Video online!

Das neue Buch von Michael Bienert über DÖBLINS BERLIN geht in wenigen Tagen in den Druck und ist ab Oktober lieferbar. Vorab gibt der Autor einen Einblick in seine Arbeitsweise und Entstehung des Buches. Für das 5-Minuten-Video wurde an mehreren Schauplätzen gedreht, produziert hat es Sportfotograf und Youtuber Leon Buchholz. Mehr zum Buch auf der Verlagsseite.



Sonntag, 6. August 2017

Döblins Berlin - Führungen am 10. 8 und 11. 8. 2017, Neuerscheinung im Oktober 2017

Die Führungen zu Döblins Berlin im Rahmen der Döblin-Woche des Literaturforums im Brecht-Haus am 5. und 6. August waren ausgebucht. Es gibt Zusatztermine wegen der großen Nachfrage:
Donnerstag, 10. 8. 2017 und Freitag, 11. 8. 2017, 17 Uhr
Döblins Berlin. Stadtspaziergang mit Michael Bienert 
Treffpunkt: Literaturforum im Brecht-Haus, Chausseestraße 125
Preis 5 / 3 Euro
Anmeldung unter: doeblin@text-der-stadt.de

Das Buch "Döblins Berlin" von Michael Bienert erscheint im Oktober 2017 im Verlag für Berlin-Brandenburg, 176 Seiten, 200 Abb., 25 Euro Mehr Infos

Sonntag, 9. Juli 2017

Ein Streifzug durch die Ateliers von Käthe Kollwitz

Das verschwundene Atelierhaus in Tiergarten,
Siegmunds Hof 11, auf einer Postkarte.
"Die Ateliers der Käthe Kollwitz erzählen viel darüber, wie sie ihren Alltag in verschiedenen Lebensabschnitten organisierte – pragmatisch und eigenwillig, mit viel Empathie für die Menschen um sie herum und der unerlässlichen Portion künstlerischen Egoismus, ohne den es nicht geht im Alltag zwischen Kinderzimmer, Arztpraxis, Radier- und Bildhauerwerkstatt." - Zum 150. Geburtstag von Käthe Kollwitz am 8. Juli 2017 ist im Tagesspiegel ein langer Streifzug von Elke Linda Buchholz durch die Atelierstandorte der Künstlerin in Berlin erschienen, den Sie hier nachlesen können: http://www.tagesspiegel.de/berlin/150-geburtstag-von-kaethe-kollwitz-die-muehen-einer-mutter/20034138.html

Donnerstag, 6. Juli 2017

Ein Park für Anita Berber - ab 10. Juli 2017

Der naturnahe Anita-Berber-Park auf dem ehemaligen St. Thomas Friedhof in Neukölln wird am 10. Juli durch Senatorin Regine Günther eröffnet. Benannt wird der Park nach der legendären Ausdruckstänzerin Anita Berber, die 1928 auf dem Friedhof der St. Thomas Gemeinde beerdigt wurde. Der Teil des Friedhofs, der in der früheren Einflugschneise des Flughafen Tempelhofs liegt, wurde Ende der 1980er Jahre aufgegeben. Die Grünfläche wurde als Ausgleichsmaßnahme für den Ausbau der Stadtautobahn A 100 naturnah umgestaltet und ist wegen ihrer vielfältigen Flora und Fauna ökologisch wertvoll. - Wann: Montag, den 10. Juli 2017, 13.30 Uhr - Wo: Anita-Berber-Park (ehem. St. Thomas Friedhof) in Berlin-Neukölln Hermannstraße 79-83 (U-Bhf. Leinestraße in Fahrtrichtung auf rechter Seite aussteigen; die Eröffnung findet auf der Platanenallee statt). (Quelle: Senatsverwaltung)

Freitag, 2. Juni 2017

Der Mosse-Almanach 2017 I 20 Jahre Mosse-Lectures

Das Mosse-Haus an der Jerusalemer,
Ecke Schützenstraße.
Anzeige von 1928
Seit 20 Jahren organisiert das Institut für deutsche Literatur der Humboldt-Universität die Mosse-Lectures in Erinnerung an die jüdische Verlegerfamilie Mosse, die 1933 aus Berlin vertrieben wurde.  Der Verlagsgründer Rudolf Mosse war einer der großen Pressezaren des Kaiserreichs, mit dem Berliner Tageblatt schenkte er der Reichshauptstadt ein liberales, demokratisches Debattenforum, das nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs treu zur Weimarer Republik stand. Im wiederaufgebauten Verlagshaus, seit dem Umbau durch Erich Mendelssohn eine Ikone moderner Geschäftshausarchitektur, fanden vor 20 Jahren die ersten Lectures statt. Die Vortragsreihen zu kulturwissenschaftlichen und aktuellen gesellschaftlichen Themen sind akademisch fundiert, richten sich aber eine breitere Öffentlichkeit, bieten auch Schriftstellern, Künstlern, Architekten Querdenkern ein Forum. In diesem Semester bildet die "Kritik des Liberalismus" den roten Programmfaden, bei der Festveranstaltung gestern abend würdigte Jost Hermand die liberale, bildungsorientierte und demokratische Gesinnung Rudolf Mosses und seiner Erben.
Zum 20. Geburtstag der von Klaus R. Scherpe mitbegründeten Veranstaltungsreihe ist ein von Elisabeth Wagner herausgegebener Almanach erschienen, der mit vielen historischen Quellen die Aktivitäten der Familie Mosse in Berlin beleuchtet: Ihre Topografie umfasst neben den Verlagsstandorten im Zeitungsviertel auch das fürstliche Mosse-Palais am Leipziger Platz und das philanthropische Mosse-Stift in Schmargendorf, sowie das verfallende Schloss Schenkendorf in Brandenburg. Vorgestellt werden Protagonisten des Berliner Tageblatts wie der Kunstkritiker Fritz Stahl, der Theaterkritiker Alfred Kerr, die Gerichtsreporterin Gabriele Tergit. Albrecht Dümling widmet sich dem Einfluss der Familie Mosse auf das Berliner Musikleben, Jost Hermand aus der Perspektive des Kollegen dem Historiker George L. Mosse, der 1997 mit einem Vortrag die Mosse-Lectures eröffnete - das Manuskript, ein Zeitdokument, ist als Faksimile reproduziert. Lisa Trekel und Johanna Hähner stellen die Mosse-Frauen vor.
Michael Bienert und Elke Linda Buchholz schildern das Schicksal der Kunstsammlung Rudolf Mosses, die 1934 versteigert wurde und erst durch spektakuläre Restitutionsfälle in jüngster Zeit wieder ins Bewusstein der Berliner Öffentlichkeit zurückgekehrt ist.

Elisabeth Wagner [Hg.]
MOSSE ALMANACH 2017
Historisches und Aktuelles aus dem Hause Mosse.
20 Jahre MOSSE-LECTURES
an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Verlag Vorwerk 8, Berlin 2017, 272 Seiten, 19 Euro
ISBN 978-3-940384-91-1

Zur Website der Mosse-Lectures

Montag, 15. Mai 2017

Alfred Flechtheim im Georg Kolbe Museum - Ausstellung vom 21. Mai bis 17. September 2017

Der Einfluss des legendären Kunsthändlers Alfred Flechtheim (1878–1937) auf die moderne Bildhauerei der 1920er-Jahre ist Thema der Sonderausstellung Alfred Flechtheim. Kunsthändler der Moderne im Georg Kolbe Museum in Berlin. Flechtheims Rolle für die europäische Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts ist kaum zu unterschätzen und noch nicht auserzählt. Er handelte in der Galerie mit der wichtigsten Kunst seiner Zeit, war ein schillernder Impulsgeber für Künstlerinnen und Künstler sowie für Museen und Sammler. Mit dem avantgardistischen Querschnitt publizierte er eines der geistreichsten Magazine der Epoche. Populäre Berühmtheiten wie Max Schmeling und illustre Künstlerinnen wie Renée Sintenis gehörten zu seinem engsten Kreis. Der stets dandyhaft gekleidete Flechtheim feierte libertär und exaltiert die neuen Möglichkeiten der Weimarer Republik. Dieses Bekenntnis zur Freiheit und sein Engagement für die moderne Kunst machten den „Paneuropäer“ Flechtheim schnell zur Zielscheibe nationalsozialistischer Agitation. Aufgrund der veränderten Kulturpolitik und stetiger antisemitischer Diffamierungen entschied er sich bereits im Oktober 1933 für die Emigration. Alfred Flechtheim starb 1937 in seinem Londoner Exil und wurde erst spät wiederentdeckt.
Heute erfährt seine Person in den wichtigen Debatten um die Restitution unrechtmäßig entzogenen Kulturguts wieder eine große öffentliche Aufmerksamkeit. Den Blick darüber hinaus auf sein einflussreiches Wirken zu lenken und dieses besondere Kapitel der Berliner Zeitgeschichte zu dokumentieren, ist die Idee der Ausstellung im Georg Kolbe Museum Anerkannt ist Flechtheims Einsatz für die Malerei, etwa für Vincent van Gogh, Pablo Picasso, George Grosz und Max Beckmann. Die moderne Skulptur war in seinen Ausstellungen von Beginn an ebenbürtig vertreten, dennoch wurde dieser wichtige Aspekt in der Bewertung seines Wirkens bislang vernachlässigt. Die Ausstellung „Alfred Flechtheim. Kunsthändler der Moderne“ dokumentiert neben den stilistischen auch die biografischen Gegensätze der Flechtheim-Bildhauer, die von Arno Breker, der im Nationalsozialismus zum Staatskünstler aufstieg, bis hin zu dem in Auschwitz ermordeten Moissey Kogan reichen (Quelle: Pressemitteilung Kolbe-Museum). Mehr Infos

Freitag, 12. Mai 2017

"Zeitungsstadt Berlin" im Ullsteinhaus

Elektronische Kommunikation gehörte schon
1927 zum Alltag im Ullsteinhaus.
Von Michael Bienert - Die Zeitungsstadt Berlin wird immer unsichtbarer. Zeitungsausrufer gibt es schon lange nicht mehr, die Kioske werden weniger, die Zeitungsleser in U-Bahnen und Bussen sind beinahe verschwunden. Kaum zu glauben, dass immer noch etwa eine halbe Millionen Tageszeitung täglich in Berlin verkauft werden. Die Auflagen sinken stetig, rasche Informationen suchen und finden die meisten Leser im Internet. Die Epoche des Papiers und der Zeitungen scheint reif fürs Museum. Seit Jahren will eine Initiative ein Pressemuseum im Ullsteinhaus etablieren, kommt aber damit nicht wirklich vom Fleck.
Nun steht ein rundes Jubiläum ins Haus: 1617, vor vierhundert Jahren erschien die Frischmann-Zeitung, die erste gedruckte Zeitung in Berlin. Doch Feierlaune ist nirgends zu spüren. Das Jubiläum löst bange Fragen aus: Wie lange wird es gedruckte Zeitungen überhaupt noch geben wird und was bedeutet die digitale Revolution für den Journalismus? Der Axel-Springer-Verlag hat Traditionsblätter wie die Berliner Morgenpost und das Hamburger Abendblatt bereits abgestoßen, weil er in ihnen nur noch lästigen Ballast auf dem Weg zum digitalen Medienkonzern sah. Der Medienwissenschaftler Leonard Novy ist überzeugt, dass es in absehbarer Zeit zur Einstellungen weiterer Zeitungstitel in Berlin kommen wird, weil die Gewohnheiten der Medienkonsumenten sich ändern und die ökonomische Basis der Zeitungen schrumpft.
Gestern abend im Ullsteinhaus saß Novy auf einem Podium mit Morgenpost-Chefredakteur Carsten Erdmann und Tagesspiegel-Herausgeber Sebastian Turner, Brigitte Fehrle moderierte die Diskussion um den Überlebenskampf der Qualitätszeitungen. Die Morgenpost versucht mit der größten Lokalredaktion in Berlin die Leser zu halten, der Tagesspiegel erweitert sein Angebotsspektrum für anspruchsvolle und zahlungskräftige Zielgruppen wie Ärzte und Lobbyisten. Experimentieren, um zu überleben, lautet die gemeinsame Devise.
Dass Qualitätsjournalismus niemals alleine durch den Verkauf toller Artikel an die Leser finanzierbar war, sondern durchs Anzeigengeschäft und den Verkauf weniger anspruchsvoller Produkte mitfinanziert werden musste, kann man aus Peter de Mendelssohns Buch Zeitungsstadt Berlin lernen. Zum 400. Berliner Zeitungsjubiläum wurde das Buch, dessen Autor bereits 1982 starb, neu aufgelegt. De Mendelssohn arbeitete vor 1933 als Journalist in Berlin, nach dem Zweiten Weltkrieg war er als britischer Presseoffizier an der Gründung des Tagesspiegels und der Welt beteiligt. Seine Erzählung vom Aufstieg und Niedergang der Zeitungsstadt Berlin in der NS-Zeit bezieht ihre Anschaulichkeit aus dieser Zeitzeugenschaft und der Vertrautheit mit der journalistischen Praxis. Für die Neuausgabe haben die Medienwissenschaftler Lutz Hachmeister, Leif Kramp und Stephan Weichert ein 50-seitiges Update unter der Überschrift Von der Zeitungsstadt zur Digitalwirtschaft verfasst, das die jüngsten Entwicklungen resümiert, und siehe da: Im Zeitraffer wird sichtbar, wie quirlig und kreativ die Zeitungsstadt Berlin allen Unkenrufen zum Trotz geblieben ist. Springer hat durch seine Digitalisierungsstrategie den Profit enorm gesteigert, die taz hat sich mit Hilfe eines Genossenschaftsmodells stabilisiert, der Tagesspiegel mit den Mehr Berlin-Seiten und dem Checkpoint-Newsletter erfolgreich neue Formate im Print- und Onlinebereich etabliert. Die FAZ ist mit der Wiederbelebung des Berlin-Feuilletons auf den Berliner Seiten zwar gescheitert, aber sie hat damit Berliner Zeitungsgeschichte geschrieben. Den Namen Zeitungsstadt verdient Berlin vielleicht bald nicht mehr. Als Medienstadt ist die Hauptstadt so bunt, experimentierfreudig und vielstimmig wie in den besten Zeiten.

Peter de Mendelssohn u. a.
Zeitungsstadt Berlin
Menschen und Mächte in der deutschen Presse
Ullstein, Berlin 2017
ISBN-13 9783550081576, 816 Seiten, 42 Euro

Sonntag, 9. April 2017

Gustav Landauers Briefe und Tagebücher 1884-1900

Briefe und Tagebücher dokumentieren Gustav Landauers Entwicklung zum Schriftsteller und Propagandisten des Anarchismus. Bekannte Adressaten seiner Briefe sind Fritz Mauthner, Paul Schlenther, Wilhelm Bölsche, Eugen Diederichs, Stefan Großmann und Joseph Bloch. Im Mittelpunkt stehen allerdings Briefe an Frauen, in die er sich verliebt hatte, darunter seine beiden Ehepartnerinnen, die Schneiderin Grete Leuschner und die Dichterin Hedwig Lachmann. Ihnen, aber auch seinen gleichaltrigen Verwandten und Freunden gegenüber offenbart Landauer, der im Oktober 1889 aus Baden in die Reichshauptstadt Berlin zog, mit bemerkenswerter Offenheit sein Fühlen und Denken. Leidenschaftlich kritisiert er die »Philister«, die nicht nur in der bürgerlichen Gesellschaft, sondern auch in der sozialdemokratischen Partei den Ton angeben, und setzt der Enge der jüdisch-christlichen Moralvorstellungen das Ausleben der eigenen Individualität entgegen. Die umfangreiche Kommentierung der Briefe und Tagebücher erhellt die privaten Beziehungen und literarischen Beeinflussungen Gustav Landauers. Darüber hinaus entsteht ein Panorama der maßgeblich von der Nietzsche-Rezeption geprägten Kulturgeschichte um 1900

Christoph Knüppel (Hg.)
Gustav Landauer
Briefe und Tagebücher 18841900
Band 1: Briefe und Tagebücher
Band 2: Kommentar
V&R Unipress 2017, 1.346 Seiten in zwei Bänden, gebunden € 130,– D / € 133,70 A / € 110,– E-Book 978-3-8471-0456-8 

Donnerstag, 30. März 2017

Albert Vennemann

Im Lichthof des Kunstgewerbemuseums - heute Martin-Gropius-Bau - fand 1932 die größte Einzelausstellung eines Fotografen statt, die jemals in Berlin gezeigt wurde. Wer wars? Der Name Albert Vennemann ist gründlich vergessen. Seine Ausstellung trug den Titel 1000 Ansichten von Berlin. "Aufgenommen sind fast lauter Objekte, die man vom Alltag kennt. Altberliner Häuser, Schlösser und Paläste, Straßen und noch einmal Straßen, spielende Kinder, Restaurants, Werktätige der verschiedensten Berufe, Passanten, Weekend-Ausflügler, Parkanlagen und schöne Punkte der Umgebung, Bahnhöfe, Industriewerke und moderne Geschäftsbauten - das Inventar könnte schwerlich vollständiger sein", berichtete Siegfried Kracauer in der Frankfurter Zeitung. Und weiter: Die vielen Bilder der Ausstellung "beschwören Eindrücke herauf, die wir gehabt haben, ohne uns Rechenschaft abzulegen. (...) Indem sie uns aber zu einer erstaunlichen Fülle von Wiederbegegnungen verhilft, erteilt sie uns endlich die Verfügungsgewalt über die Sachen und Figuren, mit denen wir unbewusst leben."
Für die heutigen Betrachter ist es ein versunkenes Berlin der Zwischenkriegszeit, das in Vennemanns Fotografien in ungewöhnlicher Vollständigkeit aufbewahrt ist. Unbewusst beeinflussen sie unser Bild vom damaligen Berlin bis heute: Denn Vennemann war nicht nur ein unerhört fleissiger Gebrauchsfotograf, er lieferte auch das visuelle Material für das damals neue Stadtmarketing, etwa für die ab 1925 erscheinende Berlin-Werbezeitschrift Der Wochenspiegel und die Kampagne Jeder einmal in Berlin (ab 1928) - oder auch die vom progressiven Stadtbaurat Martin Wagner mit herausgegebene Zeitschrift Das neue Berlin. Vennemanns Produktion deckte das ganze Spektrum fotografischer Berlin-Inszenierungen ab, er machte Bildreportagen vom Alltag auf den Straßen, fing die Idyllik des Tiergartens und die neuen Reize der nächtlichen Lichtreklame ein, komponierte aber auch Fotomontagen aus Aufnahmen zeitgenössischer Architektur. Berlin hat ihn total vergessen, allein der Frankfurter Kultur- und Fotohistoriker Eckhardt Köhn hat eine über 100-seitige, aufwendig recherchierte Publikation herausgebracht, die man leider in keiner einzigen Berliner Buchhandlung finden wird; sie ist für 18 Euro nur direkt bei der Edition Luchs zu bestellen (per mail: Edition.Luchs@gmx.de, oder postalisch: Edition Luchs, An der Teichmühle 15, 36369 Laufental).
Eckhardt Köhn: 1000 x Berlin. "Schöpfer des Gesichts einer Weltstadt"- Der Fotograf Albert Vennemann. (Fotofälle 2/2015), 114 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, ISBN 978-3-00-051152-3, Edition Luchs, 18 Euro

Soziale Moderne: Otto Bartning in der Akademie der Künste am Hanseatenweg

Wohnblock von Otto Bartning in Haselhorst
Foto: Bienert
Als Kirchenbaumeister gehört Otto Bartning zu den bekannten deutschen Architekten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die Person und ihr Gesamtwerk sind dahinter verblasst - zu Unrecht, wie nun eine große Retrospektive in der Akademie der Künste zeigt. Zu Lebzeiten unter Kollegen hoch geschätzt, nannte ihn Oskar Schlemmer einmal den "eigentlichen Vater des Bauhaus-Gedankens" - doch war Walter Gropius der viel geschicktere Propagandist der gemeinsam entwickelten Ideen für eine neue Kunstausbildung, während Bartning sich nie in den Vordergrund spielte. Zentral für ihn war der Gedanke einer Gemeinschaft, für die Architekten angemessene Räume schaffen sollten, seien es Kirchen, Krankenhäuser, Wohngebäude oder ein Wohnquartier wie das Berliner Hansaviertel. Ohne selbst dort zu bauen, war Bartning der Initiator, Organisator und Regisseur der Bauausstellung im Tiergarten vor 60 Jahren. Die weiten Ausstellungshallen der Akademie der Künste am Hanseatenweg sind daher der ideale Ort für eine Würdigung.
Stahlkirche in Köln, 1928
Ausgangspunkt war die langjährige wissenschaftliche Aufarbeitung des privaten Nachlasses von Otto Bartning in der TU Darmstadt. Moderne Baugesinnung beflügelte den jungen Architekten schon in der Kaiserzeit, er schloss sich dem Deutschen Werkbund an, nach der Novemberrevolution dem Arbeitsrat für Kunst, engagierte sich in der 1926 gegründeten Reichsforschungsgesellschaft für Wirtschaftlichkeit im Bau- und Wohnungswesen und in der Architektenvereinigung Der Ring: Bartning war immer zur Stelle, wenn es darum ging, modern, qualitätvoll und wirtschaftlich zu bauen.
Otto Bartning um 1930
(Foto: AdK)
In der Nazizeit ging er nicht ins Exil wie viele Weggefährten, verlor aber an Einfluss, hielt sich von der Naziideologie fern und baute ausschließlich Kirchen. Politisch unbelastet spielte Bartning in der Nachkriegszeit eine wichtige Rolle als Integrationsfigur und Brückenbauer zu vertriebenen Kollegen, ab 1950 als Präsident des Bundes Deutscher Architekten. Das Wort "Wiederaufbau" lehnte er ab: "Aber schlichte Räume lassen sich auf den bestehenden Grundmauern und aus den brauchbaren Trümmerstoffen errichten." Auf gesellschaftliche Herausforderungen angemessen zu reagieren, als Architekt das Beste daraus zu machen, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen, diese Grundhaltung zieht sich durch Bartnings vielfältiges Werk, das in der großen Akademieausstellung und in dem schönen Katalog eine völlig angemessene Würdigung erfährt.

Bis 18. 6. 2017 in der Akademie der Künste am Hanseatenweg
Weitere Informationen 

Montag, 20. Februar 2017

Autorengespräch mit Michael Bienert und Elke Linda Buchholz am 2. März 2017 im Georg Kolbe Museum

Berlin befand sich im Tangofieber, als Georg Kolbe 1912 mit seiner „Tänzerin“ berühmt wurde. Die Stadt zählte über zwei Millionen Einwohner, besaß bereits eine U-Bahn, einen Flugplatz und ein aufregendes Nacht- und Kunstleben. Mit seinem 1928/29 bezogenen Atelierhaus fügte der Bildhauer der Stadt ein bedeutendes Zeugnis des Neuen Bauens in der Weimarer Republik hinzu. Wie lässt sich der Bildhauer in der Metropolenkultur vor und nach dem Weltkrieg verorten? Und wie forscht und arbeitet man eigentlich über die Kulturgeschichte dieser quirligen Zeit? Die Autoren Michael Bienert und Elke Linda Buchholz erzählen im Gespräch mit der Direktorin des Georg Kolbe Museums Julia Wallner aus ihrer Arbeit und stellen ihre Bücher zum Thema vor. Preis incl. Museumseintritt 7 / 5 Euro. Weitere Infos und Veranstaltungen im Georg Kolbe Museum

Die letzten Tage der Ausstellung "Die Sammlung Bauhaus"

Die aktuelle Dauerausstellung im Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung ist in ihrem jetzigen Umfang nur noch bis 27. Februar 2017 zu sehen. Grund dafür sind die kommenden Sonderausstellungen sowie die Vorbereitungen zur Sanierung und Erweiterung des Museums. Von Freitag 24.2. bis Montag 27.2. gelten daher verlängerte Öffnungszeiten bis 19 Uhr. Zusätzlich finden an diesen Tagen um 18 Uhr kostenlose Abendführungen statt. In seiner permanenten Ausstellung „Die Sammlung Bauhaus“ präsentiert das Bauhaus-Archiv bekannte Klassiker wie die Freischwinger von Marcel Breuer oder die Leuchten von Marianne Brandt sowie Schlüsselwerke, die nur selten gezeigt werden. Die Ausstellungsobjekte bilden das gesamte künstlerische Spektrum am Bauhaus ab: Architektur, Möbel, Keramik, Metall, Bühne, Malerei, Grafik u.v.m. Neben den Werken der berühmten Lehrer Walter Gropius, Johannes Itten, Paul Klee, Lyonel Feininger, Wassily Kandinsky, Josef Albers, Oskar Schlemmer, László Moholy-Nagy und Ludwig Mies van der Rohe sind Schülerarbeiten aus dem Vorkurs und den Werkstätten noch bis Ende Februar 2017 zu sehen. Danach folgen eine konzentrierte Themenausstellung mit wichtigen Werken aus der Sammlung unter dem Motto „Bauhaus in Bewegung“ sowie vom 22. März bis zum 23. Oktober 2017 die große Retrospektive „Jasper Morrison. Thingness“ und dann ab 15. November 2017 „Licht! Fotografie am New Bauhaus Chicago“.
Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des Bauhauses wird das Bauhaus-Archiv denkmalgerecht saniert und erhält einen Museumsneubau. Die Bauarbeiten beginnen 2018.
Termine kostenloser Abendführungen: Fr. 24.2., Sa. 25.2., So. 26.2. und Mo. 27.2., um 18 Uhr
Nachmittagsführung: So. 26.2., um 14 Uhr

Montag, 30. Januar 2017

Das Döblin-Handbuch

Wer sich näher mit Alfred Döblin befasst, verliert leicht den Überblick. Oder kommt ins Aufzählen, weil dieser Autor - jenseits des kanonisierten Großstadtromans "Berlin Alexanderplatz" - ein nicht nur vom Umfang einschüchterndes, sondern äußert vielfältiges Werk hinterlassen hat, in dem Döblin sich immer wieder neu den großen Zeitfragen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stellte. Entsprechend hoch ist die Mauer von Sekundärliteratur, die sich mittlerweile um das Werk türmt: Eine vom Deutschen Literaturarchiv erstellte neue Personalbibliografie umfasst 5000 Fundstellen zu Autor und Werk, davon alleine 500 zum Roman "Alexanderplatz".
Um sich in dieser Überfülle zu orientieren, kommt das von Sabina Becker herausgegebene, im Metzler Verlag erschienene "Döblin-Handbuch" gerade recht. Versierte Döblinologen haben sich die Herkulesarbeit aufgeteilt und übersichtlich den Stand der Döblin-Forschung zusammengefasst: Der Schwerpunkt liegt dabei weniger auf der Vielfalt der Interpretationen als auf gesicherten Erkenntnissen zur Entstehungsgeschichte einzelner Werke, zu Döblins eigenen Fragestellungen und Herangehensweisen, zur Bedeutung der Themen und Arbeiten innerhalb des Gesamtwerks. Damit bekommen Leser oder Wissenschaftler rasch festen Boden unter den Füßen, wenn sie sich eingehender mit einem der großen Romane, mit der Bedeutung der furiosen Kurz- und Zeitungsprosa, Döblins Poetik, der Haltung des praktizierenden Nervenarztes zu Psychiatrie und Psychoanalyse oder seinem Exilwerk - um nur ein paar Beispiele zu nennen - befassen wollen. Mit anderen Worten: Dieses spröde und massive, aber im Großen und Ganzen doch sehr um Lesbarkeit bemühte 800-Spalten-Nachschlagewerk ersetzt tatsächlich eine ganze Döblin-Sekundärbibliothek. Es macht damit den Blick frei auf die Werke eines Autors, der sich ein gutes halbes Jahrhundert lang immer wieder neu positioniert hat, sowohl weltanschaulich als auch poetisch, der sich nie mit einem einmal erreichten Bewußtseinsstand oder Schreibstil zufrieden gegeben hat - und dadurch immer ein aktueller und inspirierender Autor bleiben wird.


Sabina Becker (Hg.)
Döblin-Handbuch. Leben - Werk - Wirkung
J. B. Metzler Verlag, 2016
400 Seiten, 99,95 Euro
ISBN 978-3-476-05376-3
Verlagsinfos

Dienstag, 10. Januar 2017

Der Bildhauer Georg Kolbe im Netzwerk der Berliner Moderne

Die Jubiläumsausstellung im Kolbe-Jahr 2017 zeigt den Bildhauer Georg Kolbe als modernen Netzwerker in der Berliner Kulturszene des frühen 20. Jahrhunderts. Laufzeit: 22. Januar bis 01. Mai 2017. Infos auf http://www.georg-kolbe-museum.de

Als wichtiger Porträtist, insbesondere in der Weimarer Republik, schuf Kolbe annähernd 200 Köpfe. Die verewigten Gesichter prominenter Persönlichkeiten vermitteln das Bild einer Epoche, die von Glanz und Widerspruch geprägt war. Die rund 50 Porträtskulpturen in der Ausstellung zeigen unter anderem den sozialdemokratischen Reichspräsidenten Friedrich Ebert, Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg, den berühmten Chirurgen Ferdinand Sauerbruch von der Charité, den einflussreichen Kunstchronisten Harry Graf Kessler, Kolbes charismatischen Kunsthändler Paul Cassirer oder die Schriftstellerin und Pazifistin Annette Kolb. Ob als Mitglied der Berliner Secession oder später als Vorsitzender der Freien Secession, Kolbe suchte immer den Austausch mit seinen Kolleginnen und Kollegen. Die später berühmte Tierbildhauerin Renée Sintenis stand ihm als junge Frau Modell, zeitweise arbeitete er im selben Atelierhaus wie Max Beckmann.