Mittwoch, 7. Oktober 2015

Immer der Käthe nach - Kollwitz in Berlin

Das Denkmal auf dem Kollwitzplatz
Foto: Michael Bienert
Von Elke Linda Buchholz - Wo in Berlin hatte Käthe Kollwitz eigentlich ihr Atelier? Einfache Frage, vierfache Antwort: Als die 24jährige frisch verheiratet mit ihrem Karl 1891 aus Königsberg nach Berlin zog, klappte sie ihren Zeichenblock kurzerhand in der Familienwohnung irgendwo zwischen Sofa, Küchentisch und Bett auf. Die damalige Adresse Weißenburger Str. 25 ist aus dem Berliner Stadtplan verschwunden, das Haus im Krieg zerbombt. Heute markiert an der Kollwitzstraße 56a im Prenzlauer Berg eine gelbe Kunststoffgedenktafel den Standort des längst neubebauten Eckgrundstücks.
Ein eigenständiges Atelier hatte die Künstlerin, bald Mutter zweiter Kinder, lange Zeit nicht. Aber ihre wachsende Familie breitete sich in dem mehrstöckigen Mietshaus am heutigen Kollwitzplatz mitsamt der Armenarztpraxis nach und nach auf drei Etagen aus. Erst 1912 mietete sich Kollwitz einen separaten Werkstattraum im großen Atelierhaus Siegmunds Hof 11 im Hansaviertel am Tiergartenrand, wo viele Künstler arbeiteten. Denn dort konnte die als Graphikerin bereits anerkannte Künstlerin an ihren Skulpturenprojekten arbeiten, wozu sie mehr Platz brauchte. Den Ort aufzusuchen, beschert dem Stadtspaziergänger allerdings eine weitere Frustration: Auch dieses Haus steht nicht mehr. Stattdessen logieren jetzt hunderte Studenten auf dem in den 1950 Jahren neu bebauten Areal. Zur Universität der Künste ist es nur eine Viertelstunde Fußweg. Dort in der Hardenbergstraße 33 leitete Käthe Kollwitz ab 1928 das Meisteratelier für Graphik: Die als erste Frau zur Professorin der Akademie ernannte Künstlerin unterrichtete in einem Seitenflügel des wuchtigen Baukomplexes auch ihre Studenten.
Doch damit war nach ihrem erzwungenen Austritt aus der Akademie 1933 unter den Nazis Schluss. In der Ateliergemeinschaft Klosterstraße 45 in Mitte fand Kollwitz schließlich noch einmal Raum zum Arbeiten, Unterschlupf für Graphikutensilien und Zeichenmappen, Austausch unter Kollegen. 1945 wurde auch dieses Gebäude ausgebombt. Als Teenagerin war sie einst auf der Durchreise zum ersten Mal nach Berlin gekommen, über 50 Jahre hat Käthe Kollwitz hier gelebt und gearbeitet. Aber ihre authentischen Spuren finden sich nicht mehr in den Straßen und Häusern der Stadt, sondern eher in ihren Werken – im Käthe-Kollwitz-Museum in der Fasanenstraße oder in den Archivkästen des Kupferstichkabinetts.
Trotzdem ist es spannend, das topographische Netzwerk dieser eigensinnigen Frau nachzuvollziehen, zumal es zugleich wichtige Orte des damaligen Kunstbetriebs wie Akademie und Sezession tangiert. Einen Leitfaden samt Stadtplan dazu bietet das schmale Bändchen "Käthe Kollwitz in Berlin", das Iris Berndt und Isabell Flemming im Auftrag des Käthe-Kollwitz-Museums Berlin dieses Jahr zum 70. Todestag der Künstlerin herausgebracht haben. Die kurzen Texte und historischen Fotos gehen zwar nicht über das Bekannte hinaus, machen aber neugierig, das interessante Feld "Kollwitz und Berlin" einmal gründlicher zu beackern.

Iris Berndt, Isabell Flemming
Käthe Kollwitz in Berlin 
Ein Stadtrundgang | A City Tour 
56 Seiten, 39 Abb., 210 x 200 mm,
zweisprachig deutsch / englisch
Lukas Verlag, Berlin 2015, 9,80 Euro