Freitag, 26. September 2014

Thomas Mann und die Bildende Kunst in Lübeck

Hier gehts zur Kunst: Thomas Mann
 ganz in Rosa im Buddenbrookhaus
Foto: Bienert
Die Bildende Kunst spielte in Thomas Manns Leben und für sein Werk eher eine Nebenrolle. Er hat das selbst so gesehen, sich keineswegs für einen großen Kunstkenner ausgegeben, und diese nüchterne Selbsteinschätzung wird auch nicht durch die große Ausstellung revidiert, mit der seine Heimatstadt Lübeck derzeit um Aufmerksamkeit wirbt. Dennoch ist es oft erhellend, ein prächtig möbliertes Haus durch einen Neben-, statt den Haupteingang zu betreten. Größe und Grenzen der Schriftstellers Thomas Mann werden auch in seinem Verhältnis zur Malerei, Plastik und Fotografie sichtbar.
Visuelle Eindrücke konnten einen kreativen Schub auslösen, so wie 1922 der Besuch einer Ausstellung, in der Thomas Mann den Bildzyklus „Joseph in Ägyptenland“ von Hermann Ebers – eines Jugendfreundes seiner Frau – sah. Das war die Initialzündung für das große Erzählprojekt „Joseph und seine Brüder“. Im Gegenzug erhielt der Künstler Hermann Ebers 1925 den Auftrag, die Novelle „Unordnung und frühes Leid“ zu illustrieren. Doch seine Lithografien wurden nicht gedruckt. In ihnen sei „das Element des Harmlosen und Bürgerlichen auf Kosten und zu ungunsten des Schlimmen und Unbürgerlichen in irreführender, stilistisch fehlerhafter Weise überbetont“, teilte der Autor dem befreundeten Künstler mit. Wohl auch auf Druck des Verlags, wo die rein illustrativen und etwas biedermeierlichen Familienszenen auf wenig Gegenliebe stießen. Sie sind in der Ausstellung zu sehen. Es war dann Aufgabe des geschmackssicheren Illustrators Karl Walser, die Umschläge für die Novelle und für die Josephsromane zu zeichnen.

Mittwoch, 17. September 2014

LeMo - Onlineausstellung zur Weimarer Republik in neuem Design


Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat heute die neue Version des Online-Portals zur deutschen Geschichte “Lebendiges Museum Online (LeMO)“ freigeschaltet. Der Weimarer Republik ist darin ein ausführliches Kapitel gewidmet. Neben einer Jahreschronik (mit Biografien) finden sich Unterkapitel zu den Themen Revolution, Politik, Alltag, Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft und Antisemitismus, dort wiederum Vertiefungen zu Einzelaspekten. Das LeMo richtet sich als virtuelles deutsches Geschichtsbuch vor allem an Schüler, leistet aber auch sonst nützliche Dienste bei der Recherche.

Donnerstag, 11. September 2014

Das Ullstein Druckhaus von Eugen Schmohl – eine kunsthistorische Analyse der TU Berlin

In Berlin-Tempelhof am Mariendorfer Damm hebt sich ein monumentaler Bau aus der Stadtsilhouette klar heraus. Es handelt sich um das zwischen 1924–1927 erbaute Druckhaus für den Ullstein Verlag. Entworfen hatte es Eugen Georg Schmohl. In Zusammenarbeit mit dem Ingenieur Otto Zucker konzipierte er ein unverwechselbares Einzelbauwerk, dessen Wirkung als Wahrzeichen noch heute besteht.
Das Werk von Eugen Georg Schmohl (1880–1926) stand bislang in keiner wissenschaftlichen Publikation im Mittelpunkt. Informationen zu seinem Leben oder seine Arbeitsweise lassen sich kaum finden, da das Archivmaterial 1945 durch Brand zerstört wurde. Nun wurde das Bauwerk im Rahmen einer Bachelorarbeit am TU-Institut für Kunstgeschichte und Historische Urbanistik bei Prof. Dr. Kerstin Wittmann-Englert einer kunsthistorischen Analyse unterzogen. „Ziel dieser Analyse war es, dieses Bauwerk in den vorhandenen Stil des Expressionismus einzuordnen“, sagt Ulrike Kohl, Autorin der Bachelorarbeit: „Das Ullstein Druckhaus: ein Repräsentationsbau der 20er Jahre“.
1877 legte Leopold Ullstein den Grundstein für den Ullstein-Verlag. Er kaufte die Druckerei Stahl & Assmann mit der dazugehörigen Zeitung Neues Berliner Tageblatt. Bis 1933 entwickelte sich der Verlag zu einem der größten und bedeutendsten in Europa. Mit dem damit verbundenen wirtschaftlichen Aufschwung stellte sich die Frage nach einem neuen Standort in Berlin. Die Verarbeitung der steigenden Auflagen und der Wunsch nach den neuesten Rotationsmaschinen forderte sehr viel mehr Platz als im Stammhaus im Berliner Zeitungsviertel in Kreuzberg zur Verfügung stand“, so Ulrike Kohl.

Freitag, 5. September 2014

Ein Roman aus dem Zeitungsviertel: Stefan Großmanns "Wir können warten"

Vor gut zehn Jahren erschien im Ullstein-Verlag der "Ullsteinroman" des Schriftstellers und studierten Historikers Sten Nadolny: Er schildert den Aufstieg der jüdischen Verlegerfamilie bis zur Gleichschaltung und Übernahme ihres Konzerns durch die Nationalsozialisten. Der Name Stefan Großmann kommt in diesem dicken Buch ein einziges Mal vor. Der 1875 in Wien geborene Journalist, Romancier und Dramatiker arbeitete seit 1913 für die von Ullstein übernommene Vossische Zeitung, war vorübergehend deren Feuilletonchef und nach dem Ersten Weltkrieg Mitbegründer der linksliberalen Zeitschrift Tage-Buch. Großmann, ein gefürchteter Journalist und Kritiker des Medienbetriebs, hinterließ bei seinem Tod im Jahr 1935 einen unvollendeten Ullsteinroman, dessen Manuskript in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien aufbewahrt wird.

Im Zentrum steht hier der "Bruderkrieg" zwischen den fünf Söhnen des Verlagsgründers Hermann Ullstein in den letzten Jahren der Weimarer Republik. Sie teilten sich die Leitung des Unternehmens. Die Rivalität der Brüder und ihrer Söhne eskalierte, als Franz Ullstein sich in die Journalistin Rosie Gräfenberg verliebte und diese Einfluss auf die Verlagspolitik gewann. Falschmeldungen über ein zweifelhaftes Vorleben der jungen Frau wurden über die Medien lanciert. Für zusätzlichen Zoff sorgten unterschiedliche Meinungen in der Unternehmensleitung, wie der größte deutsche Medienkonzern auf die Wirtschaftskrise und den Rechtsruck in der deutschen Politik ab 1929 reagieren sollte. Schon vor der Machtübernahme der Nazis wurde allzu radikalen Redakteuren gekündigt, passte sich das Unternehmen der politischen Großwetterlage an, in der Hoffnung, Inserenten und Leser zu halten. Das Ideal der jüdischen Verlegerfamilie sei nunmehr ein "Völkischer Bobachter mit Genehmigung des Rabbinats", giftete Carl von Ossietzky im Januar 1932 in der Weltbühne.

Ein praller Stoff für einen Familien-, Gesellschafts- und Wirtschaftskrimi! Großmann hat ihn als Schlüsselroman angelegt, aus den fünf Ullsteinbrüdern wurden die sechs Brüder Kronstein, aus Rosie Gräfenberg die kühle und elegante Evelyn Goldscheider, aus dem cholerischen Chefredakteur Georg Bernhard der Strippenzieher Klotz - etcetera. Nur ist es dem Autor leider nicht mehr vergönnt gewesen, den Weg vom zeitgeschichtlichen Stoff zur stimmigen Fiktion bis zum Ende zu gehen. Auf der Flucht vor den Nazis verarmt und schwer krank starb Großmann 1935 in Wien, ohne sein Manuskript in eine verlagsreife Form bringen zu können. So widersprechen sich etwa Angaben zu den Figuren, ihrem Alter, ihrer Augenfarbe, ihren Namen oder der Vorgeschichte. Manche Dialoge wirken konstruiert und hölzern, sicher wäre zu Lebzeiten des Autors daran unter der Aufsicht eines strengen Lektorats noch gefeilt worden. Der Erzählfluss mäandert und gerät immer mal wieder ins Stocken, man spürt, dass der Autor sich nicht ganz sicher war, wo er mit seiner Geschichte wirklich hinwollte.

In seinem Vorwort weist der Berliner Literaturwissenschaftler Erhard Schütz auf die Schwierigkeiten bei der Herausgabe eines derart zwar bis zum Ende durcherzählten, aber in sich nicht konsistent durchgeformten Romans hin. Herausgeber und Verlag haben einen Mittelweg gewählt, um ihn dennoch einem größeren Lesepublikum schmackhaft zu machen: Die Textvorlage wurde soweit geglättet, dass man das Buch nun bequem wie einen Kolportageroman durchlesen kann. Dabei stößt man aber immer wieder auf Widersprüche und Schwachstellen, die einen daran erinnern, dass dieses Buch in dieser Gestalt wohl kaum so erschienen wäre.

Gegen Ende des Romans schiebt sich immer mehr eine Liebesgeschichte in den Vordergrund: Der konservative Politiker Joachim von Schollwitz, der den Ullsteinkonzern als Staatskommissar an die Kandare nehmen soll, will ausgerechnet eine jüdische Sekretärin aus der Chefetage heiraten, während zur selben Zeit eine nationalsozialistische Betriebszelle das Unternehmen von innen unterwandert. Schließlich zieht sich das deutsch-jüdische Paar aufs Land zurück: "Es wird vielleicht ein paar Jahre dauern, bis uns das andere, das ewige Deutschland zurückrufen wird, dich und mich. Aber wir können warten." Wie gefährdet so ein Paar im Nazideutschland tatsächlich war, wie riskant die Strategie des Abwartens, konnte der Autor 1935 nicht wissen. Achtzig Jahre später versetzt der Roman Wir können warten seine Leser in die Unsicherheit und Ungewissheit zurück, die kurz nach der nationalsozialistischen Machtübernahme in Europa herrschte.

Stefan Großmann
Wir können warten oder Der Roman Ullstein 
Herausgegeben und mit einem Vorwort versehen von Erhard Schütz 
384 Seiten Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-945256-02-2
22,99 Euro

Mehr zum Thema: Michael Bienert über den Untergang der Vossischen Zeitung, des publizistischen Flaggschiffs des Ullstein-Konzerns. Lesen